Sanssouci-Konzert „Il caro sassone“ der Kammerakademie Potsdam

„Viva il caro sassone!” – so feierte das begeisterte Publikum den „lieben Sachsen” Georg Friedrich Händel bei der Premiere der Oper „Agrippina” in Venedig im Jahre 1709. Die Zeit in Italien prägte den jungen Händel sehr: Er schrieb in dieser Zeit zwei Opern sowie zahlreiche Oratorien und Kantaten und lernte große Komponisten wie Corelli oder die Scarlatti-Brüder kennen.

Am 21. Mai 2023 brachte die Kammerakademie Potsdam unter Leitung des tschechischen Dirigenten und Cembalisten Václav Luks u.a. die Overtüre zu „Agrippina“ in der Friedenskirche zur Aufführung. Im Vorgespräch mit unseren Mitgliedern erklärte Luks die Idee zu diesem Programm im Rahmen der Sanssouci-Konzerte: „Für mich ist Händels Musik aus dieser Zeit sehr faszinierend, weil sie sich so von seinem Spätwerk unterscheidet, weil sie vollgeladen von italienischer Inspiration ist und weil Händel dort gelernt hat, mit der menschlichen Stimme umzugehen, wovon er sein ganzes Leben profitierte.” Der junge Händel ging nach seinem vierjährigen erfolgreichen Italienaufenthalt nach London und etablierte dort zuerst die italienische Oper, dann das englischsprachige Oratorium.

Václav Luks zählt als Gründer und Leiter des Prager Barockorchesters Collegium 1704 und des Vokalensembles Collegium Vocale 1704 zu den führenden Dirigenten und Interpreten im Bereich der historischen Aufführungspraxis. Unter seiner Leitung gastieren beide Ensembles auf berühmten Festivals und in bedeutenden Konzertsälen weltweit.

„Sein Interesse für die historische Aufführungspraxis ist ein wichtiger Treibstoff für die KAP“, sagt Chefdirigent Antonello Manacorda. „Schon seit der Gründung ist das Orchester offen dafür, mit Dirigenten wie Václav neue Interpretationsmöglichkeiten und Werke zu entdecken. Die Zusammenarbeit mit ihm in der Vergangenheit war sehr bereichernd und inspirierend.”

In den kommenden drei Spielzeiten kuratiert Václav Luks als künstlerischer Partner die Sanssouci-Konzerte, in der Saison 22/23 ist er zudem Artist in Residence bei der KAP.

Die Herzen des Publikums gewann die aus Rom stammende Sopranistin Roberta Mameli mit den Kantaten „Armida abbandonata“ und „Tu fedel? Tu constante?“von Händel. Sie gilt Dank ihrer großen Vielseitigkeit und ihres kristallklaren Tons als eine der besten Interpretinnen des barocken Repertoires. Roberta Mameli singt weltweit in großen Konzertsälen und Opernhäusern. Nun erlebten wir die charmante Sängerin, die kurzfristig für die verhinderte Siobhan Stagg eingesprungen ist, in der Friedenskirche von Sanssouci.


Der vergessene Park Potsdams

Der Wildpark ist Teil der Berlin-Brandenburger Kulturlandschaft, die sich im Nordosten von der Pfaueninsel über Sacrow, Glienicke, Neuer Garten, Sanssouci, Neues Palais bis Paretz im Nordwesten und Caputh, Petzow und Ferch im Südwesten erstreckt. Im Kerngebiet der Potsdamer Kulturlandschaft stellt der Wildpark mit 875 ha, die zentrale Fläche dar, das ist nahezu ein Drittel der „Insel“ Potsdam. „Das Waldgebiet ist um ein Mehrfaches größer als der Park Sanssouci, der eine Fläche von etwa 290 ha hat“, erklärte der Vorsitzende des Wildparkvereins, Dr. Carsten Leßner, beim monatlichen Vereinstreff am 8. Mai 2023 in der Angerkirche. Er leitet die oberste Forst- und oberste Jagdbehörde des Landes Brandenburg im Landwirtschaftsministerium und geht im Wildpark regelmäßig zur Jagd.

Kurfürsten und Könige nutzten seit dem 17. Jahrhundert den Wildpark als Jagdrevier, der 1833 in den von Peter Joseph Lenné erstellten „Verschönerungsplan der Umgebung von Potsdam” einbezogen wurde. 1842 ließ Friedrich Wilhelm IV. den Wildpark komplett einzäumen und Lenné vollendete mit dem Architekten Ludwig Persius die Parkgestaltung. Es wurden vier Forsthäuser im romantisch-mittelalterlichen Stil gebaut, Gehölze angepflanzt und Wild angesiedelt.  Die Ecken der Gebäude wurden mit Tierköpfen verziert.

Am Sanssouci-Tor stehen zwei Bronze-Hirsche, die Christian Daniel Rauch im Auftrag von Friedrich Wilhelm IV. schuf. Von 1845 bis 1945 zierten die metallenen Hirsche den Eingang am Forsthaus Kuhfort. Nach dem Krieg beschlagnahmte die Rote Armee die Skulpturen und stellte sie vor dem Theater auf dem Militärgelände in Wünsdorf auf. Saskia Hüneke, Skulpturen-Kustodin der Schlösserstiftung, gelang es 1994 die wertvollen Plastiken von den abrückenden Truppen zu erwerben und im Stiftungsdepot einzulagern. Mithilfe zahlreicher Spender und des Engagements des Wildpark e.V. konnten die Hirsche nach erfolgter Restaurierung 2006 wiederaufgestellt werden.

Der Wildpark e.V. war 2004 von engagierten Bürgern der Wildpark-West gegründet worden, um die „Havelspange“ zu verhindern, die direkt durch das Waldgebiet geführt hätte und neben der bestehenden Bahnstrecke eine weitere Querung zur Folge gehabt hätte. Aktuell hat der Verein etwa 140 Mitglieder. Mit Aktionen wie das gemeinsame Müllsammeln mit den Potsdamer Plastik-Piraten, einem Konzert am Pfingstmontag und dem jährlichen Weihnachtsmarkt am 1. Advent möchte der Verein auf sein Anliegen aufmerksam machen und die Öffentlichkeit zur Teilnahme einladen.

Das 19. Pfingstkonzert findet am Pfingstmontag, dem 29. Mai 2023 am Wegstern im Wildpark statt.
Beginn ist um 11 Uhr mit der A-capella-Gruppe „mündlich:6″ aus Berlin-Friedrichshain.
Der Eintritt ist frei. Bei Kaffee, Kuchen und Getränken freuen sich die Mitglieder auf viele Gäste, um gemeinsam einen musikalischen Leckerbissen unter freiem Himmel zu genießen. Die Gruppe „mündlich:6″ bietet ein 90er-Jahre-Programm mit Hits von Michael Jackson, Britney Spears, den Backstreet Boys und vielen mehr.

Die Potsdamer Mitte im Wandel

Wohl kaum ein anderer Stadtraum Potsdams offenbart eine solche Dynamik wie die Potsdamer Mitte. Dort, wo einst die Stadtgeschichte begann, entwickelt sich ein neues Quartier zum Leben und Arbeiten. Bei einem einstündigen Rundgang am 24. April 2023 vermittelte Marketingchefin der Landeshauptstadt Dr. Sigrid Sommer Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Potsdamer Mitte.
Unter den Teilnehmern konnten die in Potsdam Geborenen die Bilder aus der DDR-Zeit gut erinnern, einige erlebten die Weichenstellungen in den 90er Jahren und engagierten sich ab 2006 bei der Initiative Mitteschön. Die meisten Teilnehmer wohnen allerdings erst seit wenigen Jahren in Potsdam und staunten über manche Details. So zum Beispiel, dass der auf dem Alten Markt noch zu DDR-Zeiten begonnene Bau des Hans-Otto-Theaters wieder abgerissen wurde und ein Provisorium (im Volksmund „Blechkiste“ genannt) viele Jahre den Platz dominierte, bis der Neubau an der Schiffbauergasse 2006 fertiggestellt wurde. Bereits 2002 wurde das von Günther Jauch gespendete Fortunaportal eingeweiht. Dort fanden ab 2006 die Montagsdemonstrationen zur Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte mit dem Landtagsneubau auf dem Grundriss des ehemaligen Stadtschlosses statt. Ende 2006 wurden in einer Bürgerbefragung die Standorte Stadtschloss, Speicherstadt oder Palais Barberini für den zukünftigen Landtag Brandenburg/Berlin zur Abstimmung gegeben. Die Mehrheit machte den Weg frei für den Landtagsbau auf dem Alten Markt und Mäzen Hasso Plattner erfüllte den Wunsch der Demonstranten und finanzierte die Komplettierung des Gebäudes mit der historischen Fassade und zu guter Letzt spendierte er auch noch das Kupferdach.

Treffpunkt zum Rundgang war die Fahnentreppe des Landtagsschlosses, die durch die goldenen Puten hervorsticht. Gegenüber liegt das älteste Gebäude der Stadt, der Marstall, der einst als Pomeranzenhaus errichtet wurde und seit 1981 das Filmmuseum beherbergt. Die Ringerkollonade, als ehemalige Verbindung von Marstall und Stadtschloss, ist rudimentär erhalten. Das neue Quartier an der Ecke Schloßstraße/Friedrich-Ebert-Straße bis zur Schwertfegerstraße wird durch die neue Synagoge und Leitfassaden wie das „Achtecken-Haus“ und das ehemalige Hotel „Einsiedler“ charakterisiert. Vis-á-vis entwickelt sich der Block III am Standort der abgerissenen Fachhochschule. Er soll, ebenfalls mit Eck-Leitfassaden versehen, 2024 bezugsfertig sein. Potsdamer Wohnungsbaugenossenschaften bieten hier Wohnraum und Gewerbeflächen an.

Mit großer Freude nahmen die Teilnehmer die Pläne für eine zukünftige Begrünung am Steubenplatz, hinter der Nikolaikirche und vor dem Filmmuseum zur Kenntnis.

Bereits vor fünf Jahren wurde das Quartier mit dem Palais Barberini, der Nachbarbebauung um den Otto-Braun-Platz mit der Bittschriftenlinde bis zur Alten Fahrt fertiggestellt. Durch die erstklassigen Kunstwerke der Hasso-Plattner-Kunstsammlung ist das Museum Barberini seitdem neben Sanssouci der Besuchermagnet in Potsdam für internationale Gäste. Die Stadt ist seinen Mäzenen und Spendern für ihr Engagement zu großem Dank verpflichtet.

Böhmische Geschichte und Babelsberger Köpfe

In der ehemaligen Priesterstraße, die seit 1945 Karl-Liebknecht-Straße heißt, befindet sich in der Nummer 23 ein kleines Stadtteilmuseum. Interessierte erfahren in diesem Weberhaus Wissenswertes über die Geschichte von Nowawes und die ersten Siedler, die Böhmischen Weber. Die Kolonie Nowawes wurde ab 1752 von Friedrich dem Großen für glaubensverfolgte evangelische Weber und Spinner aus Böhmen errichtet, erläuterte Dr. Kirstin Dautzenberg, die Vereinsvorsitzende des Förderkreises Böhmisches Dorf Nowawes und Neuendorf e.V., den Teilnehmern am monatlichen Kulturstadt-Vereinstreff am 3. April 2023 in der Angerkirche.

Der Förderkreis wurde im April 1992 gegründet, um sich für den Erhalt von historisch Wertvollem einzusetzen und ein Stadtteilmuseum einzurichten, um Einwohner und Gäste über die Vergangenheit zu informieren und in Babelsberg jährlich ein Stadtteilfest am Weberplatz zu etablieren. Aktuell zählt der Verein rund 60 Mitglieder und würde sich über neue Interessierte sehr freuen.

Zu den Vereinsaufgaben gehören neben die Öffnung der Weberstube (jeweils dienstags bis donnerstags von 13 bis 16 Uhr) individuelle Stadtteilführungen für Große und Kleine sowie monatliche Veranstaltungen über „Babelsberger Köpfe“. Die nächste Veranstaltung findet am 10. Mai um 19 Uhr statt. Andreas Huxol spricht zum Thema „Aus dem Leben der Nowaweser und Potsdamer Handwerker“.

In Zusammenarbeit mit der Medienwerkstatt, der Goethe-Grundschule und dem Bertha-von-Suttner-Gymnasium erstellen Schüler in einem aktuellen Projekt Kurzfilme und einen virtuellen Museumsrundgang. In der Wintersaison 2022/23 wurde das Schaufenster der Weberstube als digitales Schaufenster zur Präsentation von Kurzfilmen und digitalen Inhalten genutzt und stieß auf positive Resonanz. Der Verein konnte sich so nicht nur außerhalb der Öffnungszeiten präsentieren, sondern erhielt durch zahlreiche Posts in den sozialen Medien eine zusätzliche Aufmerksamkeit.

Im Anschluss an den Vortrag tauschten sich die Teilnehmer bei mitgebrachten Schmalzstullen, Osterbrot, Wasser, Tee und Wein lebhaft aus und schmiedeten Pläne für das bevorstehende 20-jährige Jubiläum des Kulturstadtvereins.

Der Eine konstruiert, der Zweite baut, der Dritte macht Musik

Das wechselvolle Schicksal der Alten Neuendorfer Kirche schilderte Kurt Schwetasch am 7. März 2023 beim Vereinstreff sehr anschaulich. Der markante Oktogonbau wurde nach dem Vorbild der Kölner Kirche St. Gereon errichtet und 1853 eingeweiht. Er bot Platz für 200 Gläubige. Durch die Ansiedlung der böhmischen Weber und die rasante industrielle Entwicklung im Ort wurde die Kirche schnell zu klein und deshalb unmittelbar daneben 1899 die viel größere Bethlehemkirche errichtet. Die Gemeinde zog um, das Oktogon hieß seither „Alte Neuendorfer Kirche“. Sie diente später u.a. als Kartoffellager und wurde vom Volksmund deshalb auch Kartoffelkirche genannt.

Im Zweiten Weltkrieg erlitt die Bethlehemkirche Kriegsschäden und wurde 1952 gesprengt. Heute erinnert der gemauerte Grundriss auf dem Neuendorfer Anger daran. Obwohl auch das Oktogon beschädigt wurde, blieb es durch das beherzte Argumentieren eines Nachbarn, der ein Gaslager betrieb, erhalten. Er verhinderte, dass die Abfahrt von der Nuthe-Schnellstraße über den Neuendorfer Anger geführt wurde.

Auferstanden aus Ruinen

So überlebte die Alte Neuendorfer Kirche die Zeit als Ruine und wurde durch den 1999 gegründeten Förderverein mit viel ehrenamtlichem Engagement, tatkräftigem Einsatz von Fachleuten sowie dem Sponsoring von Unternehmen und „Sternenpaten“ gerettet. Heute steht sie den Bürgern als Standesamt sowie für kirchliche und kulturelle Zwecke offen. Seit diesem Jahr können auch wir unseren Vereinstreff hier durchführen.

Filmtipp: Authentischer Rückblick in Gedenken an die Initiatorin Gisela Opitz, Pfarrerin und Stadtverordnete hier

Rückblick:  Mitglieder des Kulturstadtvereins im Gespräch mit Anwohnern am Neuendorfer Anger im Mai 2017 hier

Kurt Schwetasch wurde in Stuttgart geboren, wuchs in Babelsberg auf, floh vor dem Mauerbau in den Westen und kam nach der Wiedervereinigung zurück. Mit seiner Frau, die am Neuendorfer Anger ihr Elternhaus hatte, wurden sie Gründungsmitglieder des Fördervereins. Seit der Fertigstellung der Kirche 2007 organisierte und betreute er gemeinsam mit seiner Frau bis zu ihrem Tod 2016 alle laufenden Eheschließungen, Gottesdienste und Konzerte. Heute kümmert sich Kurt Schwetasch weiterhin die um Gottesdienste und steht für Führungen, wie zum Beispiel am Tag des offenen Denkmals, zur Verfügung.

Wer war Otto Lilienthal?

Diejenigen, die meinten, schon alles Wichtige über Otto Lilienthal (1848-1896) zu wissen, wurden eines Besseren belehrt. Beim monatlichen Vereinstreff am 6. Februar 2023, der erstmalig in der Kirche am Neuendorfer Anger stattfand, berichtete der Urenkel Dr. Wolfgang Lilienthal auch über wenig bekannte Seiten des berühmten Vorfahren, der durch seine spektakulären Flugversuche als Flugpionier in die Geschichte eingegangen ist.

Unternehmer und Erfinder

In erster Linie war Otto Lilienthal ein einfallsreicher Ingenieur und Erfinder und wurde dadurch zum erfolgreichen Unternehmer. Seine Ausbildung erhielt der in Anklam geborene Lilienthal nach dem Abitur von 1864 bis 1866 an der Gewerbeschule in Potsdam. Anschließend folgte eine Ingenieursausbildung in Berlin. Seine Firma, die Otto Lilienthal Maschinen- und Dampfkesselfabrik, gründete er 1881. Bekannt sind 25 Patente von ihm, die meisten betreffen seine Tätigkeit als Maschinenbauingenieur. Einige Patente meldete er gemeinsam mit oder für seinen Bruder Gustav (z.B. den Anker-Steinbaukasten) an. Nur vier Patente betreffen Flugmaschinen. 

Vom Schritt zum Sprung, vom Sprung zum Flug

Otto Lilienthals Arbeitsweise war stets durch unermüdliches Beobachten, Testen, Messen und Berechnen gekennzeichnet. Dokumentiert sind Messreihen von 1874 zur Auftriebsmessung an gewölbten Flächen mit unterschiedlichen Anstellwinkeln, mit dem Vergleich zu Werten an ebenen Flächen. 1889 veröffentlichte der Flugpionier im Buch „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“ seine Erkenntnis, dass gewölbte Tragflächen einen größeren Auftrieb liefern als ebene Flächen. Mit dem ersten „manntragenden“ Flugzeug der Welt, dem Derwitzer Apparat (1891), erreichte er eine Flugweite von 25 Metern. 1894 nahm er seinen Standard-Eindecker als Normal-Apparat in Betrieb. Dieser wurde in Serie gefertigt und als erstes Flugzeug vermarktet. Käufer aus Deutschland, Frankreich, England, Amerika, Russland und Australien zahlten für den Normalsegelapparat damals 500 Mark.
Lilienthal nutzte „Absprungplätze“ in der Sandgrube bei Derwitz, in Steglitz Südende, Steglitz Maihöhe,  vom Fliegeberg Lichterfelde und vom Gollenberg in Stölln. Vom Gollenberg gelangen dem Visionär Flüge bis 250 Meter (inkl. Kehrtwende). Der Gollenberg gilt als erster Flugplatz der Welt. Dort stürzte Otto Lilienthal 1896 ab und erlag einen Tag später seinen Verletzungen.

Kunstmäzen und sozial engagiert

Lilienthal, der aus ärmlichen Verhältnissen stammt, hat sich zeitlebens sozial engagiert. So zahlte er zum Beispiel den Arbeitern und Angestellten seiner Firma 1890 „unter Fortfall der Akkordarbeiten, Beibehaltung der Lohnsätze und der bisherigen Fabrik-Ordnung eine Beteiligung am Reingewinn des Geschäfts in Höhe von 25 Prozent“.
Als Kunstmäzen unterstützte er das von Max Samst 1890 gegründete Ostend-Theater in der Großen Frankfurter Straße 132 (heute Karl-Marx-Allee 78/79) und wandelte das Haus in ein Volkstheater mit dem Namen Nationaltheater („Zehn-Pfennig-Theater“) um. Dort trat er auch als Schauspieler auf.

Auf die Frage an den Referenten, wie er mit solch einem weltberühmten Vorfahren umgehe, antwortete Dr. Wolfgang Lilienthal „durch Abgrenzung“. Er habe als Tierarzt mit ehemaliger Tätigkeit in der Pharma-Industrie nichts mit dem Fliegen zu tun.

Seine Filmempfehlung zum Ende des Vortrags > Link

Bühnen-Orchester-Probe zur Winteroper

Hoch im Kurs stehen Angebote, hinter die Kulissen zu schauen und Einblicke zu erhalten, die normalerweise der Öffentlichkeit nicht möglich sind. 36 Mitglieder des Kulturstadtvereins nutzten am 7. November 2022 die Chance, an der Probe zur diesjährigen Potsdamer Winteroper –
„Il matrimonio segreto“ (Die heimliche Ehe) – einer Komischen Oper in zwei Akten von Domenico Cimarosa im Schlosstheater teilzunehmen.  Cimarosa gilt als Meister der Opera buffa, ist Wegbereiter Rossinis und ein Zeitgenosse Mozarts.

Fünf Tage vor der Premiere wurde der 2. Akt mit Solisten und Orchester geprobt – ohne Kostüme, Beleuchtung und Übertitel, denn die Oper wird in Originalsprache aufgeführt. Die Zuschauer verfolgten mit großem Interesse die einzelnen Unterbrechungen und Anweisungen des Musikalischen Leiters, Attilio Cremonesi, an die Musiker der Kammerakademie Potsdam und die Sänger. Dabei wechselte er ständig zwischen Deutsch, Englisch und Italienisch. Die Regisseurin, Adriana Altaras, agierte in dieser Zeit nahezu geräuschlos mit Anweisungen an die Sänger, die sie ermunterte, noch deutlicher mit Gestik und Mimik den Gesang zu verstärken.

Pausengespräch mit Dirigenten und Regisseurin

Nach gut einer Stunde durften die Künstler in die Pause, während der Geschäftsführer der Kammerakademie Potsdam, Alexander Hollensteiner, der Dirigent und die Regisseurin sich den Fragen des Publikums stellten. Dabei erfuhren wir, dass es keineswegs selbstverständlich ist, dass der Dirigent bei der gesamten Probenzeit mit Orchester und Sängern anwesend ist. Die temperamentvolle Kroatin Altaras ist in Italien aufgewachsen und schmiedete mit Cremonesi ein kreatives und sympathische Ensemble.

Wir sind gewiss, dass die Winteroper 2022, eine Kooperation mit dem Hans-Otto-Theater, ein voller Erfolg wird, gemäß dem Motto „Dem Vergnügen der Einwohner“ – wie es einst an der Hauptfassade der „Kanaloper“ stand, dem Königlichen Schauspielhaus an der Berliner Brücke.

Begeistert von der beschwingten Musik, der lebendigen Inszenierung und voller Vorfreude auf die kommenden Vorstellungen verließen die Mitglieder das Schlosstheater und genossen auf dem Heimweg den Vollmond über dem Neuen Palais im Park Sanssouci.  Vielen Dank für diesen herrlichen Einblick.

Die Premiere am 11. November ist ausverkauft. Einzelne Restkarten für die folgenden Termine sind noch erhältlich.

Foto: Hans-Jürgen Krackher | Text: Fides Mahrla

Führung durch die Sonderausstellung

Am 29. September 2022, wenige Tage vor dem Ende der Sonderausstellung „Eine Sammlung – viele Perspektiven. Kunst im Dialog von 1900 bis heute“ führte uns der Vorsitzende des Fördervereins des Potsdam Museums, Markus Wicke, durch die Schau. Er berichtete den Teilnehmer u.a., wie einzelne Kunstwerke entdeckt und für die städtischen Sammlung erworben wurden.

Die Auswahl der Kunstwerke für die Sonderausstellung selbst erfolgte durch ein Bürgervotum. Gefragt wurde „Welches Bild fasziniert Sie am meisten und warum?“ Die Statements der Teilnehmer flossen in die Präsentation ein und gewährten einen individuellen Blick auf die Kunstwerke und deren Beziehung zu Potsdam.

Gezeigt wurden 59 Werke mit einem breiten Spektrum künstlerischer Handschriften in fünf Themenräumen:  bildliche Stadterzählungen, Menschenbilder, Landschafts- und Naturbilder, Interieurszenen und abstrakte Arbeiten.

„Jahrmarkt in Potsdam“ ist eins von mehr als 900 Werken des für seine Stadtveduten berühmten Otto Heinrich (1891-1967), die sich im Bestand des Potsdam-Museums befinden. Kanal-Otto wurde in Anlehnung an den Italiener Canaletto (1722–1780) wegen seiner künstlerischen Leidenschaft für den Potsdamer Stadtkanal genannt.

Das Gemälde „Kellertorbrücke im Herbst“ von Max Koch wurde zum Beispiel in der ZDF-Sendung „Rares für Bares“ entdeckt und konnte dank Vermittlung des Fördervereins und zahlreicher Spender erworben werden. Begeistert betrachteten die Besucher auch das „Pfützenbild“ von Hans Klohss „Brandenburger Straße in Potsdam“ (1922, Öl auf Papier).

Carl Salzmanns „Uferlandschaft“von 1929 zählt zu den jüngsten Neuzugängen im Museum. Durch das Engagement des Fördervereins konnte das Bild in die städtische Kunstsammlung aufgenommen und bereits in der aktuellen Ausstellung präsentiert werden.

Damit die wertvolle Kunstsammlung den Bürgern weiterhin zugängig bleibt und nicht wieder im Depot verschwindet, ist es dringend geboten, dass eine der zahlreich diskutierten Projektideen zur Errichtung einer Städtischen Galerie realisiert wird. Die Landeshauptstadt sollte sich ein Beispiel an Dresden, Karlsruhe, Bremen, Wolfsburg oder Rosenheim nehmen.

Vereinssommerfest im Pfingstberghaus

Zum 10. Mal feierten wir seit 2011 das Vereinssommerfest im ehemaligen Gärtnerhaus der Villa Lepsius. Das Fest findet bei schönem Wetter auf der Terrasse statt, allerdings war am 26. August einer der ganz wenigen Regentage im heißen Sommer 2022. Zum Glück konnten die 35 Teilnehmer in den Saal ausweichen und unbeschwert feiern.

Nach dem Motto „Bewährtes wird nicht geändert“, gab es Grillfleisch und -würstchen von der Potsdamer Fleischerei Riek, die von Finanzvorstand Dr. Frank Dietrich fachmännisch zubereitet wurden. Die Teilnehmer steuerten selbstgefertigte Salate, Dips, Baguette, Kuchen, Dessert oder andere leckere Kostproben für das Überraschungsbüfett bei, das unsere „Büfett-Verantwortlichen“ Ilona und Harald Höckele betreuten. Unsere „Hausverantwortliche“, Brigitte Kolberg, sorgte sich um die fachgerechte Bedienung der Spülmaschine und die Scharfschaltung der Sicherungsanlage am Abend. Vom Tennisclub Obelisk bekommen wir seit Jahren den großen Grill geliehen, den Hans-Georg Brandes abholt und tip-top geputzt wieder zurückbringt. Zahlreiche weitere Aufgaben werden in gewohnter Weise verteilt, sodass das Fest in guter Stimmung entspannt stattfinden kann.

Unsere Mitglieder diskutierten eifrig die unterschiedlichsten Themen: So tauschten sie zum Beispiel Fitnesstipps aus oder sprachen über Erfahrungen mit einer Senkrechtmaus für den Computer. Aber auch Potsdamer Themen, wie die Abstimmung über den Bürgerhaushalt, die Sonderausstellung „Die Form der Freiheit“ im Museum Barberini, die Entwicklung von Stadtkanal und Garnisonkirche, Aktivitäten der Kulturerben-Vereine oder der Fachkräftemangel in der Gastronomie standen zur Debatte. Die nach Werder verzogenen Vereinsmitglieder Caroline und Jim Vilbrandt warben um Unterstützung für ihr Licht-Projekt „ungestört dunkel schlafen in Werder Havel“  – denn gemeinsam erreicht man mehr. So verging der Abend wie im Fluge.

 

Führung durch den Pleasureground im Park Glienicke mit Besichtigung des Casinos

Die meisten von uns schätzen den Blick vom Neuen Garten über den Jungfernsee zum Casino und Park Glienicke neben der Glienicker Brücke – ein elegantes Anwesen, eingebettet in eine einzigartige Parkanlage mit diversen Freisitzen, Wasserspielen, mächtigen Bäumen und Sichten in die wasserreiche Umgebung. Schinkel, Persius und Lenné gestalteten den Potsdamer Sommersitz des Prinzen Carl von Preußen im 19. Jahrhundert.

Am 11. August 2022 erkundeten wir mit dem Potsdamer Landschaftsarchitekten Dirk Heydemann einen kleinen Teil der Parkanlage – den sogenannten Pleasureground – und spürten, wie wohltuend und inspirierend Architektur, Kunst und Landschaft miteinander harmonieren können. Eindrücklich erläuterte er uns die englische Gartengestaltung, die durch unterschiedliche und abwechslungsreiche Eindrücke im Sinne des Ideals eines „begehbaren Landschaftsgemäldes“ dem Auge des Betrachters Vergnügen bereiten sollte. Die Abendsonne demonstrierte dies anschaulich auf weiten Rasenflächen, sich großzügig schlängelnden Wegen und durch Schatten werfende Bäume und Sträucher.

Heydemann lenkte unsere Aufmerksamkeit auf kleine Details, wie zum Beispiel auf das Kleinstein-Mosaik-Pflaster aus weißem Carrara-Marmor, rotem Plötzkyer-Quarzit und schwarzen Gabbro Steinquadern vor der östlichen Treppe der Löwenfontäne. Grandios dagegen ist der Blick vom Stibadium auf Potsdam.

Vor der Neugierde befindet sich der Laitièrenbrunnen, ein von der Bronzefigur eines Milchmädchens bekrönter großer Findling. Die Bronze war ein Geschenk von Carls Schwester Charlotte aus St. Petersburg. Dargestellt ist die sprichwörtliche „Milchmädchenrechnung“ der Fabel von Jean de La Fontaine. Das heutige Glienicker Milchmädchen ist ein neuer Abguss. Von der Großen Neugierde konnte man seinerzeit zum gegenüberliegenden Ufer zur Villa Schöningen, dem Wohnsitz des Hofmarschalls Curd von Schöning sehen, der ein architektonisches Gegengewicht zur Rotunde darstellte. Heute versperren unbeschnittene Bäume auf städtischem Gebiet die Sicht.

Nördlich der Rotunde erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung das 1824 von Schinkel entworfene Casino (ital. für Häuschen), sein frühester Bau für Prinz Carl. Es entstand durch den Umbau des eingeschossigen Billardhauses aus Mirows, Lindenaus und Hardenbergs Zeiten. Das Casino war die Dépendance des Schlosses mit dem wohl schönsten Teeplatz, der gerundet vorspringenden Terrasse in Richtung Jungfernsee. Mit seinen langen Pergolen bestimmt das Casino architektonisch das Jungfernseeufer. Es sollte eine Reminiszenz von Landhäusern am Golf von Neapel sein.

Die Kastellanin, Anke Berkhoff, öffnete uns am Ende der Parkführung das Casino. Im Erdgeschoss befinden sich zwei nach der Kriegszerstörung rekonstruierte Räume mit den wenigen verbliebenen vollplastischen Stücken der Antikensammlung. Einst waren sie mit zahlreichen Kunstgegenständen des Sammlers Prinz Carl von Preußen bestückt. Im Obergeschoss befand sich eine kleine Wohnung für Gäste.

Dirk Heydemann beendete seine Führung mit dem Gedicht „Havelland“ von Theodor Fontane. Die Teilnehmer bedankten sich dreistimmig mit dem Kanon „Froh zu sein bedarf es wenig, denn wer froh ist, ist ein König.“ Bei einem Glas Sekt genossen wir den Sonnenuntergang auf der Terrasse.

Fotos: Dr. Frank Dietrich | Susanne Matern | Fides Mahrla