Böhmische Geschichte und Babelsberger Köpfe

In der ehemaligen Priesterstraße, die seit 1945 Karl-Liebknecht-Straße heißt, befindet sich in der Nummer 23 ein kleines Stadtteilmuseum. Interessierte erfahren in diesem Weberhaus Wissenswertes über die Geschichte von Nowawes und die ersten Siedler, die Böhmischen Weber. Die Kolonie Nowawes wurde ab 1752 von Friedrich dem Großen für glaubensverfolgte evangelische Weber und Spinner aus Böhmen errichtet, erläuterte Dr. Kirstin Dautzenberg, die Vereinsvorsitzende des Förderkreises Böhmisches Dorf Nowawes und Neuendorf e.V., den Teilnehmern am monatlichen Kulturstadt-Vereinstreff am 3. April 2023 in der Angerkirche.

Der Förderkreis wurde im April 1992 gegründet, um sich für den Erhalt von historisch Wertvollem einzusetzen und ein Stadtteilmuseum einzurichten, um Einwohner und Gäste über die Vergangenheit zu informieren und in Babelsberg jährlich ein Stadtteilfest am Weberplatz zu etablieren. Aktuell zählt der Verein rund 60 Mitglieder und würde sich über neue Interessierte sehr freuen.

Zu den Vereinsaufgaben gehören neben die Öffnung der Weberstube (jeweils dienstags bis donnerstags von 13 bis 16 Uhr) individuelle Stadtteilführungen für Große und Kleine sowie monatliche Veranstaltungen über „Babelsberger Köpfe“. Die nächste Veranstaltung findet am 10. Mai um 19 Uhr statt. Andreas Huxol spricht zum Thema „Aus dem Leben der Nowaweser und Potsdamer Handwerker“.

In Zusammenarbeit mit der Medienwerkstatt, der Goethe-Grundschule und dem Bertha-von-Suttner-Gymnasium erstellen Schüler in einem aktuellen Projekt Kurzfilme und einen virtuellen Museumsrundgang. In der Wintersaison 2022/23 wurde das Schaufenster der Weberstube als digitales Schaufenster zur Präsentation von Kurzfilmen und digitalen Inhalten genutzt und stieß auf positive Resonanz. Der Verein konnte sich so nicht nur außerhalb der Öffnungszeiten präsentieren, sondern erhielt durch zahlreiche Posts in den sozialen Medien eine zusätzliche Aufmerksamkeit.

Im Anschluss an den Vortrag tauschten sich die Teilnehmer bei mitgebrachten Schmalzstullen, Osterbrot, Wasser, Tee und Wein lebhaft aus und schmiedeten Pläne für das bevorstehende 20-jährige Jubiläum des Kulturstadtvereins.

Der Eine konstruiert, der Zweite baut, der Dritte macht Musik

Das wechselvolle Schicksal der Alten Neuendorfer Kirche schilderte Kurt Schwetasch am 7. März 2023 beim Vereinstreff sehr anschaulich. Der markante Oktogonbau wurde nach dem Vorbild der Kölner Kirche St. Gereon errichtet und 1853 eingeweiht. Er bot Platz für 200 Gläubige. Durch die Ansiedlung der böhmischen Weber und die rasante industrielle Entwicklung im Ort wurde die Kirche schnell zu klein und deshalb unmittelbar daneben 1899 die viel größere Bethlehemkirche errichtet. Die Gemeinde zog um, das Oktogon hieß seither „Alte Neuendorfer Kirche“. Sie diente später u.a. als Kartoffellager und wurde vom Volksmund deshalb auch Kartoffelkirche genannt.

Im Zweiten Weltkrieg erlitt die Bethlehemkirche Kriegsschäden und wurde 1952 gesprengt. Heute erinnert der gemauerte Grundriss auf dem Neuendorfer Anger daran. Obwohl auch das Oktogon beschädigt wurde, blieb es durch das beherzte Argumentieren eines Nachbarn, der ein Gaslager betrieb, erhalten. Er verhinderte, dass die Abfahrt von der Nuthe-Schnellstraße über den Neuendorfer Anger geführt wurde.

Auferstanden aus Ruinen

So überlebte die Alte Neuendorfer Kirche die Zeit als Ruine und wurde durch den 1999 gegründeten Förderverein mit viel ehrenamtlichem Engagement, tatkräftigem Einsatz von Fachleuten sowie dem Sponsoring von Unternehmen und „Sternenpaten“ gerettet. Heute steht sie den Bürgern als Standesamt sowie für kirchliche und kulturelle Zwecke offen. Seit diesem Jahr können auch wir unseren Vereinstreff hier durchführen.

Filmtipp: Authentischer Rückblick in Gedenken an die Initiatorin Gisela Opitz, Pfarrerin und Stadtverordnete hier

Rückblick:  Mitglieder des Kulturstadtvereins im Gespräch mit Anwohnern am Neuendorfer Anger im Mai 2017 hier

Kurt Schwetasch wurde in Stuttgart geboren, wuchs in Babelsberg auf, floh vor dem Mauerbau in den Westen und kam nach der Wiedervereinigung zurück. Mit seiner Frau, die am Neuendorfer Anger ihr Elternhaus hatte, wurden sie Gründungsmitglieder des Fördervereins. Seit der Fertigstellung der Kirche 2007 organisierte und betreute er gemeinsam mit seiner Frau bis zu ihrem Tod 2016 alle laufenden Eheschließungen, Gottesdienste und Konzerte. Heute kümmert sich Kurt Schwetasch weiterhin die um Gottesdienste und steht für Führungen, wie zum Beispiel am Tag des offenen Denkmals, zur Verfügung.

Wer war Otto Lilienthal?

Diejenigen, die meinten, schon alles Wichtige über Otto Lilienthal (1848-1896) zu wissen, wurden eines Besseren belehrt. Beim monatlichen Vereinstreff am 6. Februar 2023, der erstmalig in der Kirche am Neuendorfer Anger stattfand, berichtete der Urenkel Dr. Wolfgang Lilienthal auch über wenig bekannte Seiten des berühmten Vorfahren, der durch seine spektakulären Flugversuche als Flugpionier in die Geschichte eingegangen ist.

Unternehmer und Erfinder

In erster Linie war Otto Lilienthal ein einfallsreicher Ingenieur und Erfinder und wurde dadurch zum erfolgreichen Unternehmer. Seine Ausbildung erhielt der in Anklam geborene Lilienthal nach dem Abitur von 1864 bis 1866 an der Gewerbeschule in Potsdam. Anschließend folgte eine Ingenieursausbildung in Berlin. Seine Firma, die Otto Lilienthal Maschinen- und Dampfkesselfabrik, gründete er 1881. Bekannt sind 25 Patente von ihm, die meisten betreffen seine Tätigkeit als Maschinenbauingenieur. Einige Patente meldete er gemeinsam mit oder für seinen Bruder Gustav (z.B. den Anker-Steinbaukasten) an. Nur vier Patente betreffen Flugmaschinen. 

Vom Schritt zum Sprung, vom Sprung zum Flug

Otto Lilienthals Arbeitsweise war stets durch unermüdliches Beobachten, Testen, Messen und Berechnen gekennzeichnet. Dokumentiert sind Messreihen von 1874 zur Auftriebsmessung an gewölbten Flächen mit unterschiedlichen Anstellwinkeln, mit dem Vergleich zu Werten an ebenen Flächen. 1889 veröffentlichte der Flugpionier im Buch „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“ seine Erkenntnis, dass gewölbte Tragflächen einen größeren Auftrieb liefern als ebene Flächen. Mit dem ersten „manntragenden“ Flugzeug der Welt, dem Derwitzer Apparat (1891), erreichte er eine Flugweite von 25 Metern. 1894 nahm er seinen Standard-Eindecker als Normal-Apparat in Betrieb. Dieser wurde in Serie gefertigt und als erstes Flugzeug vermarktet. Käufer aus Deutschland, Frankreich, England, Amerika, Russland und Australien zahlten für den Normalsegelapparat damals 500 Mark.
Lilienthal nutzte „Absprungplätze“ in der Sandgrube bei Derwitz, in Steglitz Südende, Steglitz Maihöhe,  vom Fliegeberg Lichterfelde und vom Gollenberg in Stölln. Vom Gollenberg gelangen dem Visionär Flüge bis 250 Meter (inkl. Kehrtwende). Der Gollenberg gilt als erster Flugplatz der Welt. Dort stürzte Otto Lilienthal 1896 ab und erlag einen Tag später seinen Verletzungen.

Kunstmäzen und sozial engagiert

Lilienthal, der aus ärmlichen Verhältnissen stammt, hat sich zeitlebens sozial engagiert. So zahlte er zum Beispiel den Arbeitern und Angestellten seiner Firma 1890 „unter Fortfall der Akkordarbeiten, Beibehaltung der Lohnsätze und der bisherigen Fabrik-Ordnung eine Beteiligung am Reingewinn des Geschäfts in Höhe von 25 Prozent“.
Als Kunstmäzen unterstützte er das von Max Samst 1890 gegründete Ostend-Theater in der Großen Frankfurter Straße 132 (heute Karl-Marx-Allee 78/79) und wandelte das Haus in ein Volkstheater mit dem Namen Nationaltheater („Zehn-Pfennig-Theater“) um. Dort trat er auch als Schauspieler auf.

Auf die Frage an den Referenten, wie er mit solch einem weltberühmten Vorfahren umgehe, antwortete Dr. Wolfgang Lilienthal „durch Abgrenzung“. Er habe als Tierarzt mit ehemaliger Tätigkeit in der Pharma-Industrie nichts mit dem Fliegen zu tun.

Seine Filmempfehlung zum Ende des Vortrags > Link

Bühnen-Orchester-Probe zur Winteroper

Hoch im Kurs stehen Angebote, hinter die Kulissen zu schauen und Einblicke zu erhalten, die normalerweise der Öffentlichkeit nicht möglich sind. 36 Mitglieder des Kulturstadtvereins nutzten am 7. November 2022 die Chance, an der Probe zur diesjährigen Potsdamer Winteroper –
„Il matrimonio segreto“ (Die heimliche Ehe) – einer Komischen Oper in zwei Akten von Domenico Cimarosa im Schlosstheater teilzunehmen.  Cimarosa gilt als Meister der Opera buffa, ist Wegbereiter Rossinis und ein Zeitgenosse Mozarts.

Fünf Tage vor der Premiere wurde der 2. Akt mit Solisten und Orchester geprobt – ohne Kostüme, Beleuchtung und Übertitel, denn die Oper wird in Originalsprache aufgeführt. Die Zuschauer verfolgten mit großem Interesse die einzelnen Unterbrechungen und Anweisungen des Musikalischen Leiters, Attilio Cremonesi, an die Musiker der Kammerakademie Potsdam und die Sänger. Dabei wechselte er ständig zwischen Deutsch, Englisch und Italienisch. Die Regisseurin, Adriana Altaras, agierte in dieser Zeit nahezu geräuschlos mit Anweisungen an die Sänger, die sie ermunterte, noch deutlicher mit Gestik und Mimik den Gesang zu verstärken.

Pausengespräch mit Dirigenten und Regisseurin

Nach gut einer Stunde durften die Künstler in die Pause, während der Geschäftsführer der Kammerakademie Potsdam, Alexander Hollensteiner, der Dirigent und die Regisseurin sich den Fragen des Publikums stellten. Dabei erfuhren wir, dass es keineswegs selbstverständlich ist, dass der Dirigent bei der gesamten Probenzeit mit Orchester und Sängern anwesend ist. Die temperamentvolle Kroatin Altaras ist in Italien aufgewachsen und schmiedete mit Cremonesi ein kreatives und sympathische Ensemble.

Wir sind gewiss, dass die Winteroper 2022, eine Kooperation mit dem Hans-Otto-Theater, ein voller Erfolg wird, gemäß dem Motto „Dem Vergnügen der Einwohner“ – wie es einst an der Hauptfassade der „Kanaloper“ stand, dem Königlichen Schauspielhaus an der Berliner Brücke.

Begeistert von der beschwingten Musik, der lebendigen Inszenierung und voller Vorfreude auf die kommenden Vorstellungen verließen die Mitglieder das Schlosstheater und genossen auf dem Heimweg den Vollmond über dem Neuen Palais im Park Sanssouci.  Vielen Dank für diesen herrlichen Einblick.

Die Premiere am 11. November ist ausverkauft. Einzelne Restkarten für die folgenden Termine sind noch erhältlich.

Foto: Hans-Jürgen Krackher | Text: Fides Mahrla

Führung durch die Sonderausstellung

Am 29. September 2022, wenige Tage vor dem Ende der Sonderausstellung „Eine Sammlung – viele Perspektiven. Kunst im Dialog von 1900 bis heute“ führte uns der Vorsitzende des Fördervereins des Potsdam Museums, Markus Wicke, durch die Schau. Er berichtete den Teilnehmer u.a., wie einzelne Kunstwerke entdeckt und für die städtischen Sammlung erworben wurden.

Die Auswahl der Kunstwerke für die Sonderausstellung selbst erfolgte durch ein Bürgervotum. Gefragt wurde „Welches Bild fasziniert Sie am meisten und warum?“ Die Statements der Teilnehmer flossen in die Präsentation ein und gewährten einen individuellen Blick auf die Kunstwerke und deren Beziehung zu Potsdam.

Gezeigt wurden 59 Werke mit einem breiten Spektrum künstlerischer Handschriften in fünf Themenräumen:  bildliche Stadterzählungen, Menschenbilder, Landschafts- und Naturbilder, Interieurszenen und abstrakte Arbeiten.

„Jahrmarkt in Potsdam“ ist eins von mehr als 900 Werken des für seine Stadtveduten berühmten Otto Heinrich (1891-1967), die sich im Bestand des Potsdam-Museums befinden. Kanal-Otto wurde in Anlehnung an den Italiener Canaletto (1722–1780) wegen seiner künstlerischen Leidenschaft für den Potsdamer Stadtkanal genannt.

Das Gemälde „Kellertorbrücke im Herbst“ von Max Koch wurde zum Beispiel in der ZDF-Sendung „Rares für Bares“ entdeckt und konnte dank Vermittlung des Fördervereins und zahlreicher Spender erworben werden. Begeistert betrachteten die Besucher auch das „Pfützenbild“ von Hans Klohss „Brandenburger Straße in Potsdam“ (1922, Öl auf Papier).

Carl Salzmanns „Uferlandschaft“von 1929 zählt zu den jüngsten Neuzugängen im Museum. Durch das Engagement des Fördervereins konnte das Bild in die städtische Kunstsammlung aufgenommen und bereits in der aktuellen Ausstellung präsentiert werden.

Damit die wertvolle Kunstsammlung den Bürgern weiterhin zugängig bleibt und nicht wieder im Depot verschwindet, ist es dringend geboten, dass eine der zahlreich diskutierten Projektideen zur Errichtung einer Städtischen Galerie realisiert wird. Die Landeshauptstadt sollte sich ein Beispiel an Dresden, Karlsruhe, Bremen, Wolfsburg oder Rosenheim nehmen.

Vereinssommerfest im Pfingstberghaus

Zum 10. Mal feierten wir seit 2011 das Vereinssommerfest im ehemaligen Gärtnerhaus der Villa Lepsius. Das Fest findet bei schönem Wetter auf der Terrasse statt, allerdings war am 26. August einer der ganz wenigen Regentage im heißen Sommer 2022. Zum Glück konnten die 35 Teilnehmer in den Saal ausweichen und unbeschwert feiern.

Nach dem Motto „Bewährtes wird nicht geändert“, gab es Grillfleisch und -würstchen von der Potsdamer Fleischerei Riek, die von Finanzvorstand Dr. Frank Dietrich fachmännisch zubereitet wurden. Die Teilnehmer steuerten selbstgefertigte Salate, Dips, Baguette, Kuchen, Dessert oder andere leckere Kostproben für das Überraschungsbüfett bei, das unsere „Büfett-Verantwortlichen“ Ilona und Harald Höckele betreuten. Unsere „Hausverantwortliche“, Brigitte Kolberg, sorgte sich um die fachgerechte Bedienung der Spülmaschine und die Scharfschaltung der Sicherungsanlage am Abend. Vom Tennisclub Obelisk bekommen wir seit Jahren den großen Grill geliehen, den Hans-Georg Brandes abholt und tip-top geputzt wieder zurückbringt. Zahlreiche weitere Aufgaben werden in gewohnter Weise verteilt, sodass das Fest in guter Stimmung entspannt stattfinden kann.

Unsere Mitglieder diskutierten eifrig die unterschiedlichsten Themen: So tauschten sie zum Beispiel Fitnesstipps aus oder sprachen über Erfahrungen mit einer Senkrechtmaus für den Computer. Aber auch Potsdamer Themen, wie die Abstimmung über den Bürgerhaushalt, die Sonderausstellung „Die Form der Freiheit“ im Museum Barberini, die Entwicklung von Stadtkanal und Garnisonkirche, Aktivitäten der Kulturerben-Vereine oder der Fachkräftemangel in der Gastronomie standen zur Debatte. Die nach Werder verzogenen Vereinsmitglieder Caroline und Jim Vilbrandt warben um Unterstützung für ihr Licht-Projekt „ungestört dunkel schlafen in Werder Havel“  – denn gemeinsam erreicht man mehr. So verging der Abend wie im Fluge.

 

Führung durch den Pleasureground im Park Glienicke mit Besichtigung des Casinos

Die meisten von uns schätzen den Blick vom Neuen Garten über den Jungfernsee zum Casino und Park Glienicke neben der Glienicker Brücke – ein elegantes Anwesen, eingebettet in eine einzigartige Parkanlage mit diversen Freisitzen, Wasserspielen, mächtigen Bäumen und Sichten in die wasserreiche Umgebung. Schinkel, Persius und Lenné gestalteten den Potsdamer Sommersitz des Prinzen Carl von Preußen im 19. Jahrhundert.

Am 11. August 2022 erkundeten wir mit dem Potsdamer Landschaftsarchitekten Dirk Heydemann einen kleinen Teil der Parkanlage – den sogenannten Pleasureground – und spürten, wie wohltuend und inspirierend Architektur, Kunst und Landschaft miteinander harmonieren können. Eindrücklich erläuterte er uns die englische Gartengestaltung, die durch unterschiedliche und abwechslungsreiche Eindrücke im Sinne des Ideals eines „begehbaren Landschaftsgemäldes“ dem Auge des Betrachters Vergnügen bereiten sollte. Die Abendsonne demonstrierte dies anschaulich auf weiten Rasenflächen, sich großzügig schlängelnden Wegen und durch Schatten werfende Bäume und Sträucher.

Heydemann lenkte unsere Aufmerksamkeit auf kleine Details, wie zum Beispiel auf das Kleinstein-Mosaik-Pflaster aus weißem Carrara-Marmor, rotem Plötzkyer-Quarzit und schwarzen Gabbro Steinquadern vor der östlichen Treppe der Löwenfontäne. Grandios dagegen ist der Blick vom Stibadium auf Potsdam.

Vor der Neugierde befindet sich der Laitièrenbrunnen, ein von der Bronzefigur eines Milchmädchens bekrönter großer Findling. Die Bronze war ein Geschenk von Carls Schwester Charlotte aus St. Petersburg. Dargestellt ist die sprichwörtliche „Milchmädchenrechnung“ der Fabel von Jean de La Fontaine. Das heutige Glienicker Milchmädchen ist ein neuer Abguss. Von der Großen Neugierde konnte man seinerzeit zum gegenüberliegenden Ufer zur Villa Schöningen, dem Wohnsitz des Hofmarschalls Curd von Schöning sehen, der ein architektonisches Gegengewicht zur Rotunde darstellte. Heute versperren unbeschnittene Bäume auf städtischem Gebiet die Sicht.

Nördlich der Rotunde erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung das 1824 von Schinkel entworfene Casino (ital. für Häuschen), sein frühester Bau für Prinz Carl. Es entstand durch den Umbau des eingeschossigen Billardhauses aus Mirows, Lindenaus und Hardenbergs Zeiten. Das Casino war die Dépendance des Schlosses mit dem wohl schönsten Teeplatz, der gerundet vorspringenden Terrasse in Richtung Jungfernsee. Mit seinen langen Pergolen bestimmt das Casino architektonisch das Jungfernseeufer. Es sollte eine Reminiszenz von Landhäusern am Golf von Neapel sein.

Die Kastellanin, Anke Berkhoff, öffnete uns am Ende der Parkführung das Casino. Im Erdgeschoss befinden sich zwei nach der Kriegszerstörung rekonstruierte Räume mit den wenigen verbliebenen vollplastischen Stücken der Antikensammlung. Einst waren sie mit zahlreichen Kunstgegenständen des Sammlers Prinz Carl von Preußen bestückt. Im Obergeschoss befand sich eine kleine Wohnung für Gäste.

Dirk Heydemann beendete seine Führung mit dem Gedicht „Havelland“ von Theodor Fontane. Die Teilnehmer bedankten sich dreistimmig mit dem Kanon „Froh zu sein bedarf es wenig, denn wer froh ist, ist ein König.“ Bei einem Glas Sekt genossen wir den Sonnenuntergang auf der Terrasse.

Fotos: Dr. Frank Dietrich | Susanne Matern | Fides Mahrla

Poetenpack spielt Molières „Tartuffe“ im Heckentheater

Seit 2006 besuchen Mitglieder unseres Kulturstadtvereins regelmäßig das Sommertheater vom Poetenpack. Bis 2015 spielte das Ensemble auf dem Q-Hof, seit sechs Jahren tritt es im Heckentheater auf. Das Besondere an unseren Theaterbesuchen sind die Vorgespräche mit dem Künstlerischen Leiter oder einem Schauspieler. 2022 hat uns Willi Händler aus dem Leitungsteam über aktuelle Entwicklungen beim Poetenpack berichtet und eine Kurzeinführung zum Stück gegeben. 

Seit diesem Jahr spielt das Poetenpack nicht mehr nur ein Stück pro Sommersaison, sondern gleich drei verschiedene. Neben Molières „Tartuffe“ gibt es Woody Allen’s „Mittsommernachts-Sex-Komödie“ und „Ab in die Sommerfrische“ von Carlo Goldoni. Das Konzept mit mehreren Produktionen wird ausgebaut. Die Zuschauer sollen aus einem breiteren Menü wählen können. Mit Brigitte Reimanns „Franziska Linkerhand“ will man einen Beitrag zur Jahreskampagne 2023 von „Kulturland Brandenburg“ zum Thema „Baukultur“ leisten. Im Sommertheater soll ein Stück von Molières dänischem Zeitgenossen Ludvig Holberg aufgeführt werden.

Dank der Einführung von Willi Händler fanden wir schnell in den „Tartuffe“ und wunderten uns weder über die barocke Reimsprache, noch über die schrillen Fantasy-Kostüme von Janet Kirsten. Das Stück wurde 1664 im Beisein des Sonnenkönigs in Versailles uraufgeführt und zeigt, dass sich die Menschheit nicht geändert hat. Es gibt nach wie vor die scheinheiligen Ideologen, die behaupten, für alle das Beste zu wollen.

Der verblendete Familienvater Orgon (gespielt von Georg Peetz) erkennt spät, dass er sich mit seinem naiven Gutmenschentum um Haus und Hof gebracht hat. Während er auf Tartuffe einprügelt, schrammelt Valère, sein Schwiegersohn in spe, auf der Gitarre „Macht kaputt, was euch kaputt macht“. Die Auftritte des Theatermusikers Arne Assmann als Punk mit lila Irokesenperücke setzen reizvolle Akzente.

Doch der Betrüger hat noch eine bittere Wahrheit für den ausgenutzten Orgon: „Ich hatte manchmal den Verdacht, du hättest alles für dich selbst gemacht.“ Am Ende greift eine höhere Instanz ein und rettet die Familie aus der Misere. Tartuffe zieht von dannen – mit der klaren Botschaft, dass er wiederkommen werde.

Die achtköpfige, sangesfreudige Schauspielertruppe begeisterte das Publikum. Die Tontechnik hat sich wesentlich verbessert und die Mückensprays blieben dieses Jahr in der Tasche. 

Wir freuen uns schon auf 2023 mit einem Stück von Holberg, der Torheiten seiner Zeit mit Humor geißelt. Sicherlich gibt es wieder Parallelen zur Gegenwart…

Fotos: Peter Hahnel und Fides Mahrla

Juli 2006 beim ersten Vorgespräch mit Poetenpack-Geschäftsführer Andreas Hueck auf dem Q-Hof.

UNESCO-Welterbe Siedlungen der Berliner Moderne

In Berlin gibt es drei UNESCO-Welterbestätten: die Schlösser und Gärten mit Potsdam zusammen, die Museumsinsel und die Siedlungen der Moderne. Diese Siedlungen waren bislang weniger bekannt und wurden von unserem Mitglied Sabine Ambrosius, Referentin für das UNESCO-Welterbe im Landesdenkmalamt Berlin, in einem Vortrag beim monatlichen Vereinstreff, am 6. Juni 2022, vorgestellt.

Die Architekten der klassischen Moderne gaben auf höchstem architektonischen Niveau Antwort auf die Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg. Sie errichteten moderne, bezahlbare Wohnungen mit Küchen, Bädern und Balkonen, in Häusern ohne Hinterhof und Seitenflügel, dafür mit Licht, Luft und Sonne.

Die Berliner Bevölkerung litt unter den Folgen der Inflation. Das Geld verlor dramatisch schnell an Kaufkraft. Diese Entwertung des Bargeldes traf die Armen besonders hart, da sie – anders als die Wohlhabenden – keine halbwegs wertstabilen Anlagen besaßen und die Mieten rasant stiegen. Die Politik musste handeln und beschloss Maßnahmen zur Förderung des öffentlichen Wohnungsbaus.

Auf Konzepten des späteren Stadtbaurats Martin Wagner aufbauend, wurde 1924 die sogenannte Hauszinssteuer eingeführt. Mit dieser Steuerabgabe auf Erträge aus Wohnungsbau und -vermietung, wurden die von der Geldentwertung kaum betroffenen großen Immobilienbesitzer und privaten Vermieter an der Finanzierung des öffentlichen Wohnungsbaus beteiligt. Das Prinzip war einfach: Bei Neuvermietung von zusätzlich im Hinterhof erbauten Mietskasernen oder auch Mieterhöhungen in bestehenden Wohnungen griff die Politik einen Teil der Einnahmen ab und investierte sie teilweise in den öffentlichen Wohnungsbau.

Aus der Not heraus entstand so eine qualitätsvolle Baukunst zwischen 1913 und 1934. Die Formensprache, die Wohnungsgrundrisse und die städtebaulichen Figuren der Siedlungen wurden zum Vorbild für das ganze 20. Jahrhundert.

Ästhetische Vorstellungen der Avantgarde aus Kunst und Architektur verbanden sich dabei mit den sozialen Ideen der politischen Linken. Gewerkschaftliche, genossenschaftliche und städtische Baugesellschaften wurden zu den Trägern dieser gebauten Utopie.

Das Welterbe-Komitee hat bei seiner 32. Sitzung in Quebec / Kanada am 07.07.2008 beschlossen, die sechs Siedlungen der Berliner Moderne in die Welterbe-Liste der UNESCO aufzunehmen. Der Antrag entspricht der UNESCO-Strategie, Stätten der Moderne verstärkt als Welterbe zu schützen. Die Siedlungen zeichnen sich international nicht nur durch ihre große Bedeutung, sondern auch durch ihren guten Erhaltungszustand aus.

Quelle: Landesdenkmalamt Berlin

© Fotos oben: Ben Buschfeld

Weiterführende Informationen:
> Webseite Welterbe Siedlungen Berlin
> Youube „Die Siedlungen der Berliner Moderne – UNESCO-Welterbe mit neuer Strahlkraft
> YouTube „Ein gebautes Versprechen – Sozialer Wohnungsbau der Berliner Moderne
> Tautes Heim – Mietbares Museum zu Architektur + Design der 1920er Jahre
Authentisch Wohnen in einem Haus von Bruno Taut im UNESCO-Welterbe Hufeisensiedlung > Webseite

Sabine Ambrosius im 3sat-Beitrag „Welterbe in Gefahr

CLASSICS in JAZZAFRICA im Palais Lichtenau

Die Musiker Michael Rossi (Saxophon/Klarinette/Flöte) und Adolf Thelen (Piano) führten das Publikum am 21. Juni 2022 durch legendäre Kompositionen von Johann Sebastian Bach, Joaquin Rodrigo, Oscar Peterson, George Gershwin und anderen. Sie fusionieren klassische Formen und Harmonik mit Jazz und Musikstilen aus Südafrika. Arrangements von Bachs „Toccata“, seiner „Badinerie“ & „Air“, bis zu „La Fiesta Impressionen“ waren zu hören. Der deutsche Pianist Adolf Thelen und der amerikanische Saxofonist Michael Rossi haben sich in Kapstadt kennengelernt und musizieren seit Jahren in verschiedenen Besetzungen miteinander.

Nach seiner Emeritierung von der Musikhochschule der Universität Kapstadt lebt Mike Rossi seit diesem Jahr in Italien. Er konzertiert regelmäßig in Europa und hat sich als Autor von Büchern zur Jazz-Improvisation einen internationalen Ruf erworben. Adolf Thelen lebt als Musiker, Musikerzieher und Organist weiterhin in Kapstadt. Er hatte bereits 2020 mit seinem Solo-Programm in Potsdam reges Interesse an seinem „Classics in JazzAfrica“-Konzept geweckt.

Die Musiker wurden mit frenetischem Beifall eines dankbaren und berauschten Publikums bedacht. 
Das netteste Kompliment kam von Mike Rossi: „Als ich in die Gesichter der Menschen im Palais Lichtenau schaute und die Freude sah, hätte ich noch stundenlang weiterspielen können“.

Unsere Vereinsmitglieder, das Ehepaar Monika und Prof. Bernd Rosenkranz, vermittelte die Künstler, die zugunsten des Kinderprojektes Manenberg Aftercare Center (220620-Manenberg-Flyer) in Kapstadt um Spenden baten. Nach dem Konzert tauschten sich die begeisterten Zuhörer bei südafrikanischem Wein und deutschem Wasser über das Hörerlebnis aus.