Die meisten von uns schätzen den Blick vom Neuen Garten über den Jungfernsee zum Casino und Park Glienicke neben der Glienicker Brücke – ein elegantes Anwesen, eingebettet in eine einzigartige Parkanlage mit diversen Freisitzen, Wasserspielen, mächtigen Bäumen und Sichten in die wasserreiche Umgebung. Schinkel, Persius und Lenné gestalteten den Potsdamer Sommersitz des Prinzen Carl von Preußen im 19. Jahrhundert.
Am 11. August 2022 erkundeten wir mit dem Potsdamer Landschaftsarchitekten Dirk Heydemann einen kleinen Teil der Parkanlage – den sogenannten Pleasureground – und spürten, wie wohltuend und inspirierend Architektur, Kunst und Landschaft miteinander harmonieren können. Eindrücklich erläuterte er uns die englische Gartengestaltung, die durch unterschiedliche und abwechslungsreiche Eindrücke im Sinne des Ideals eines „begehbaren Landschaftsgemäldes“ dem Auge des Betrachters Vergnügen bereiten sollte. Die Abendsonne demonstrierte dies anschaulich auf weiten Rasenflächen, sich großzügig schlängelnden Wegen und durch Schatten werfende Bäume und Sträucher.
Heydemann lenkte unsere Aufmerksamkeit auf kleine Details, wie zum Beispiel auf das Kleinstein-Mosaik-Pflaster aus weißem Carrara-Marmor, rotem Plötzkyer-Quarzit und schwarzen Gabbro Steinquadern vor der östlichen Treppe der Löwenfontäne. Grandios dagegen ist der Blick vom Stibadium auf Potsdam.
Vor der Neugierde befindet sich der Laitièrenbrunnen, ein von der Bronzefigur eines Milchmädchens bekrönter großer Findling. Die Bronze war ein Geschenk von Carls Schwester Charlotte aus St. Petersburg. Dargestellt ist die sprichwörtliche „Milchmädchenrechnung“ der Fabel von Jean de La Fontaine. Das heutige Glienicker Milchmädchen ist ein neuer Abguss. Von der Großen Neugierde konnte man seinerzeit zum gegenüberliegenden Ufer zur Villa Schöningen, dem Wohnsitz des Hofmarschalls Curd von Schöning sehen, der ein architektonisches Gegengewicht zur Rotunde darstellte. Heute versperren unbeschnittene Bäume auf städtischem Gebiet die Sicht.
Nördlich der Rotunde erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung das 1824 von Schinkel entworfene Casino (ital. für Häuschen), sein frühester Bau für Prinz Carl. Es entstand durch den Umbau des eingeschossigen Billardhauses aus Mirows, Lindenaus und Hardenbergs Zeiten. Das Casino war die Dépendance des Schlosses mit dem wohl schönsten Teeplatz, der gerundet vorspringenden Terrasse in Richtung Jungfernsee. Mit seinen langen Pergolen bestimmt das Casino architektonisch das Jungfernseeufer. Es sollte eine Reminiszenz von Landhäusern am Golf von Neapel sein.
Die Kastellanin, Anke Berkhoff, öffnete uns am Ende der Parkführung das Casino. Im Erdgeschoss befinden sich zwei nach der Kriegszerstörung rekonstruierte Räume mit den wenigen verbliebenen vollplastischen Stücken der Antikensammlung. Einst waren sie mit zahlreichen Kunstgegenständen des Sammlers Prinz Carl von Preußen bestückt. Im Obergeschoss befand sich eine kleine Wohnung für Gäste.
Dirk Heydemann beendete seine Führung mit dem Gedicht „Havelland“ von Theodor Fontane. Die Teilnehmer bedankten sich dreistimmig mit dem Kanon „Froh zu sein bedarf es wenig, denn wer froh ist, ist ein König.“ Bei einem Glas Sekt genossen wir den Sonnenuntergang auf der Terrasse.
Fotos: Dr. Frank Dietrich | Susanne Matern | Fides Mahrla