Olaf Tiede erforscht seit vielen Jahren die Kirchenachsen in Potsdam und darüber hinaus. In seinem umfangreichen Vortrag beim Vereinstreff im April 2025 berichtete er darüber. Anhand zahlreicher Fotos und vergleichender Satellitenaufnahmen wies er nach, dass Kirchen nicht zufällig irgendwo gebaut wurden, sondern immer mit einem Bezug, einem sichtbaren oder geistigen Bezug.
Bekannt ist die Potsdamer Kirchenachsenlinie von Garnisonkirche – Nikolaikirche – Heiligengeistkirche. Eine solche offensichtliche Konstellation hat nicht nur stadtgestalterische Gründe, sondern steht auch für eine spirituell-symbolische Beziehung. Für dieses Denken finden sich die Wurzeln bereits im frühen Mittelalter, als im Zuge der Christianisierung des Havellandes die kleinen Dorfkirchen in Abhängigkeit von den großen Mutterkirchen und Klöstern entstanden. Auf der Insel Potsdam sind viele Beispiele für diese kirchenstrategischen und liturgischen Überlegungen zu finden.
Sakrale Landschaft & Gesamtkunstwerk
In der Zeit des späteren Absolutismus, als die königliche Macht vor allem sichtbar zelebriert werden sollte, wurden zunehmend „Beziehungsachsen“ relevant. Auch erfolgte eine Ausrichtung nach dem Sonnenstand zu bestimmten Kalenderdaten. Zur Kaiserzeit um 1900 wurde das Sichtachsen-System noch weiter ausgebaut. Durch die dichter werdende Bebauung drängten sich neue Türme in die Achsen.
Die umfangreichen Erkenntnisse erstaunten uns, denn die viele Verbindungslinien sind komplett unsichtbar – wie die Ausrichtung der beiden katholischen Kirchen nach Rom. Frage aus der Runde: Wie kommt man auf die Idee, so etwas zu erforschen? Seine Antwort darauf: „Ich schaue mit den Augen eines Grafikers.“ Das Ergebnis ist erstaunlich. Es scheint in der früheren Bauplanung alles mit allem zusammenzuhängen. Nichts wurde dem Zufall überlassen. So entstand ein Netz von zusammenhängenden Bauten, so gibt es zum Beispiel auch einen direkten Bezug von der Französischen Kirche auf dem Bassinplatz zum Pantheon in Rom.
Thiede will zum Jahresende 2025 ein weiteres Buch zu seinem Thema veröffentlichen.
Aktuell stellt er in der Schlossgalerie Haape in Caputh Werke seiner Malerei aus. Die Ausstellung ist samstags und sonntags von 12 bis 18 Uhr in der Krugstraße 38 geöffnet.