Stammtisch zur Garnisonkirche

Unser 2. Stammtisch zur Garnisonkirche fand dieses Mal am 7. Juli 2021 als hybride Veranstaltung statt. 20 Vereinsmitglieder trafen sich in der Nagelkreuzkapelle, weitere verfolgten die Vorträge zuhause am Monitor.

Zu Gast waren die Wissenschaftler vom ZMSBw (Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr): Oberleutnant Helene Heldt und Oberstleutnant Dr. John Zimmermann.

Helene Heldt sprach über die „Die Bedeutung der Garnisonkirche für die Stadt und für das Militär sowie der Tag von Potsdam 1933″. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich Deutsche Militärgeschichte bis 1945und setzt sich in einer Dissertation mit dem Thema auseinander. Außerdem begleitet sie die Konzeptentwicklung für die Garnisonkirche als Europakirche mit fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Dr. John Zimmermann ist seit 2019 Leiter des Forschungsbereichs Deutsche Militärgeschichte bis 1945 im ZMSBw. Außerdem ist er Lehrbeauftragter an der Universität Potsdam.

Die Garnisonkirche als Militärkirche

Friedrich Wilhelm I. beauftragte den Bau einer Kirche für das Militär, da er überzeugt war, dass der Glaube die Soldaten „einhegen“ würde. Die erste Garnisonkirche war eine Fachwerkkirche – nach neun Jahren instabil und musste abgerissen werden. Die Garnisonkirche hatte eine Militär- und eine Zivilgemeinde sowie einen Pfarrer für das Militär und einen für die Bürger. Den militärischen Geist erkannte man an den 200 Trophäen (Fahnen) von besiegten Regimentern aus den verschiedenen preußischen Schlachten. Nach dem 1. Weltkrieg wurden sie durch die Fahnen der in Potsdam stationierten und nun demobilisierten Truppen ersetzt. Das demoralisierte die Vertreter des kaiserlichen Militärs doppelt.

Der Tag von Potsdam

Die Garnisonkirche in Potsdam wurde von der Stadt nach dem 21. März 1933 als „Geburtsstätte des Dritten Reiches“ vermarktet. Es gab sie auf einer Fünf-Mark-Münze und in der Tourismus-Werbung. Für die Nazis spielte die Garnisonkirche keine Rolle. Sie hatten auch kein Interesse an dem „Handschlagfoto“ von Reichskanzler Adolf Hitler und des Generalfeldmarschalls und Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Goebbels nannte den Tag „Rührkommödie“ – aber er inszenierte ihn im Rundfunk als Massenereigenis. Die Stadt Potsdam hatte nach 1933 die Symbolik für ihr Marketing umgedeutet. John Zimmermann verwies auf die Darstellungen der Historiker Thomas Wernicke und Martin Sabrow, die im Tag von Potsdam eine Machtdemonstation des alten Kaiserreiches sehen.

Gründe für die Sprengung

Nach 1945 waren der Tag von Potsdam und die Garnisonkirche nicht mehr im Blickfeld der Bevölkerung. Die Militärgemeinde war aufgelöst. Die Evangelische Kirche und erst recht die Stadt waren mit dem Erhalt der Ruine und einem möglichen Wiederaufbau überfordert. 1968 erfolgte die Sprengung auf einen Mehrheitsbeschluss der Stadtverordneten. In der Zeit danach bis heute wurde wiederholt berichtet, dass die Sprengung auf Weisung der SED bzw. von Walter Ulbricht persönlich erfolgte. Dieses sei durch Quellen nicht zu belegen, sagte John Zimmermann. Zeitzeugenberichte wären von der Geschichtswissenschaft als subjektiv zu bewerten. Es bestehe besonders bei handelnden Personen die Tendenz zur Interpretation.

Aktuelle Interpretationen

Nach heutiger Mehrheitsmeinung wurde die Garnisonkirche gesprengt, weil die DDR-Oberen in ihr einen Hort des Preußentums und des Faschismus sahen. Die Werbung als „Geburtsstadt des Dritten Reiches“ und das Handschlagfoto von Theo Eisenhart in der New York Times werden als Beweis für diese Darstellung herangezogen – richtig ist die Aussage deswegen nicht. Für Potsdam war die Garnisonkirche ein Hemmnis für den Wiederaufbau von Wohnraum und für die Schaffung einer großzügige Straßenführung und musste deshalb weg.