Wer war Otto Lilienthal?

Diejenigen, die meinten, schon alles Wichtige über Otto Lilienthal (1848-1896) zu wissen, wurden eines Besseren belehrt. Beim monatlichen Vereinstreff am 6. Februar 2023, der erstmalig in der Kirche am Neuendorfer Anger stattfand, berichtete der Urenkel Dr. Wolfgang Lilienthal auch über wenig bekannte Seiten des berühmten Vorfahren, der durch seine spektakulären Flugversuche als Flugpionier in die Geschichte eingegangen ist.

Unternehmer und Erfinder

In erster Linie war Otto Lilienthal ein einfallsreicher Ingenieur und Erfinder und wurde dadurch zum erfolgreichen Unternehmer. Seine Ausbildung erhielt der in Anklam geborene Lilienthal nach dem Abitur von 1864 bis 1866 an der Gewerbeschule in Potsdam. Anschließend folgte eine Ingenieursausbildung in Berlin. Seine Firma, die Otto Lilienthal Maschinen- und Dampfkesselfabrik, gründete er 1881. Bekannt sind 25 Patente von ihm, die meisten betreffen seine Tätigkeit als Maschinenbauingenieur. Einige Patente meldete er gemeinsam mit oder für seinen Bruder Gustav (z.B. den Anker-Steinbaukasten) an. Nur vier Patente betreffen Flugmaschinen. 

Vom Schritt zum Sprung, vom Sprung zum Flug

Otto Lilienthals Arbeitsweise war stets durch unermüdliches Beobachten, Testen, Messen und Berechnen gekennzeichnet. Dokumentiert sind Messreihen von 1874 zur Auftriebsmessung an gewölbten Flächen mit unterschiedlichen Anstellwinkeln, mit dem Vergleich zu Werten an ebenen Flächen. 1889 veröffentlichte der Flugpionier im Buch „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“ seine Erkenntnis, dass gewölbte Tragflächen einen größeren Auftrieb liefern als ebene Flächen. Mit dem ersten „manntragenden“ Flugzeug der Welt, dem Derwitzer Apparat (1891), erreichte er eine Flugweite von 25 Metern. 1894 nahm er seinen Standard-Eindecker als Normal-Apparat in Betrieb. Dieser wurde in Serie gefertigt und als erstes Flugzeug vermarktet. Käufer aus Deutschland, Frankreich, England, Amerika, Russland und Australien zahlten für den Normalsegelapparat damals 500 Mark.
Lilienthal nutzte „Absprungplätze“ in der Sandgrube bei Derwitz, in Steglitz Südende, Steglitz Maihöhe,  vom Fliegeberg Lichterfelde und vom Gollenberg in Stölln. Vom Gollenberg gelangen dem Visionär Flüge bis 250 Meter (inkl. Kehrtwende). Der Gollenberg gilt als erster Flugplatz der Welt. Dort stürzte Otto Lilienthal 1896 ab und erlag einen Tag später seinen Verletzungen.

Kunstmäzen und sozial engagiert

Lilienthal, der aus ärmlichen Verhältnissen stammt, hat sich zeitlebens sozial engagiert. So zahlte er zum Beispiel den Arbeitern und Angestellten seiner Firma 1890 „unter Fortfall der Akkordarbeiten, Beibehaltung der Lohnsätze und der bisherigen Fabrik-Ordnung eine Beteiligung am Reingewinn des Geschäfts in Höhe von 25 Prozent“.
Als Kunstmäzen unterstützte er das von Max Samst 1890 gegründete Ostend-Theater in der Großen Frankfurter Straße 132 (heute Karl-Marx-Allee 78/79) und wandelte das Haus in ein Volkstheater mit dem Namen Nationaltheater („Zehn-Pfennig-Theater“) um. Dort trat er auch als Schauspieler auf.

Auf die Frage an den Referenten, wie er mit solch einem weltberühmten Vorfahren umgehe, antwortete Dr. Wolfgang Lilienthal „durch Abgrenzung“. Er habe als Tierarzt mit ehemaliger Tätigkeit in der Pharma-Industrie nichts mit dem Fliegen zu tun.

Seine Filmempfehlung zum Ende des Vortrags > Link