Die Rolle der sozialen Wohnungswirtschaft bei der Stadtentwicklung

Beim Vereinstreff am 4. Juni 2025 stellte Carsten Hagenau den Arbeitskreis StadtSpuren vor – ein bundesweit einmaliger Zusammenschluss sozial orientierter Wohnungsunternehmen in Potsdam. Gegründet 1997, vereint das Kooperationsprojekt zahlreiche kommunale und genossenschaftliche Akteure. Hagenau ist als Geschäftsführer der Projektkommunikation HAGENAU GmbH von Beginn an als Koordinator, Themengeber und Sprecher involviert.

Ein starkes Bündnis für Potsdam

Dem Arbeitskreis gehören folgende Unternehmen an:

  • ProPotsdam GmbH (kommunal)
  • GWG Bauverein Babelsberg eG
  • Gewoba eG Babelsberg
  • Potsdamer Wohnungsbaugenossenschaft eG
  • Potsdamer Wohnungsgenossenschaft 1956 eG
  • Studierendenwerk West\:Brandenburg
  • Wohnungsbaugenossenschaft 1903 Potsdam eG
  • Wohnungsbaugenossenschaft „Daheim“ eG
  • Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ Potsdam eG

Mit zusammen rund 34.000 Wohneinheiten decken die Mitgliedsunternehmen etwa 40 Prozent des Potsdamer Mietwohnungsmarkts ab – rund 70.000 Menschen leben in ihren Wohnungen. Seit Beginn der Kooperation wurden 1,6 Milliarden Euro in die Modernisierung, den Neubau und die Entwicklung von Wohngebieten investiert.

Anders als die Anderen

Im Unterschied zur renditeorientierten Privatwirtschaft verfolgen soziale Wohnungsunternehmen keine Gewinnerzielungsabsicht. Ihr gesetzlich verankerter Auftrag: Wohnraum bereitstellen – sicher, bezahlbar und langfristig. Die Genossenschaften handeln auf Grundlage ihrer Satzungen im Sinne ihrer Mitglieder, während die kommunale ProPotsdam GmbH der Stadt gehört und dem kommunalpolitischen Willen unterliegt. Das Studierendenwerk ist ein öffentlich-rechtlich verfasstes Unternehmen zur Versorgung Studierender.

Diese demokratische Legitimation zeigt sich auch in der Kontrolle: Bei den Genossenschaften wählen die Mitglieder – direkt oder über Vertreter – die Aufsichtsräte. Bei der kommunalen Gesellschaft bestimmen die Stadtverordneten über deren Zusammensetzung. So bleibt der soziale Auftrag dauerhaft im Fokus.

Die Kunden und zugleich Auftraggeber sind die Mieterinnen und Mieter bzw. die Mitglieder der Genossenschaften. In den vom Arbeitskreis betreuten Wohnungen lebt ein Drittel der Potsdamer Bevölkerung – ein deutlicher Beleg für die gesellschaftliche Relevanz dieser Wohnungsunternehmen.

Stadtentwicklung als Gemeinschaftsaufgabe

Im Arbeitskreis kooperieren Unternehmen, die im freien Markt durchaus Konkurrenten sind. Doch wer gutes Wohnen anbieten will, braucht auch ein funktionierendes Umfeld: Nahversorgung, Bildungseinrichtungen, Freizeitangebote, Infrastruktur. Deshalb setzen sich die Beteiligten gemeinsam für lebenswerte Quartiere und die stadtteilübergreifende Entwicklung ein – oft auch als Impulsgeber gegenüber der Stadtverwaltung.

Ob Straßenreinigung, Strompreise, Schulstandorte, öffentlicher Nahverkehr oder Supermärkte: Viele kommunale Entscheidungen haben unmittelbaren Einfluss auf die Wohnqualität. Die sozialen Wohnungsunternehmen vertreten dabei nicht nur ihre Mieter – sie gestalten die Stadt aktiv mit.

Investitionen in der Potsdamer Mitte

Passend zum Jahresthema „Stadtentwicklung im Herzen Potsdams“ beleuchtete Carsten Hagenau in seinem Vortrag die Aktivitäten der sozialen Wohnungswirtschaft in der Innenstadt – mit einem historischen Bogen von der Nachkriegszeit bis heute.

Bereits ab 1954 entstanden durch sogenannte „Aufbaustunden“ (AWG) neue Wohnquartiere, etwa im Bereich Burgstraße/Am Kanal. Genossenschaftsmitglieder konnten durch ihre Arbeitsleistung Wohnraum erhalten. Diese Quartiere wurden nach der Wende umfassend saniert und modernisiert, teilweise durch Neubauten ergänzt wie etwa im Französischen Quartier oder in unmittelbarer Nachbarschaft zur Französischen Kirche.

Ein aktuelles Beispiel für eine besondere Herausforderung ist das Engagement der Potsdamer Genossenschaften beim Wiederaufbau der Potsdamer Mitte im Karree zwischen Altem Markt und Friedrich-Ebert-Straße. Hier geht es um die Rekonstruktion historischer Straßenzüge und sogenannter Leitbauten, deren Fassaden dem historischen Stadtbild möglichst nahekommen sollten.
Dazu zählen der von Stadtbild Deutschland e.V. preisgekrönte Plögersche Gasthof und das ebenfalls prämierte Klingnersche Haus.

Möglich wurde dieses Engagement der Genossenschaften erst durch die Zusicherung eines Festpreises für die Grundstücke. Rund 80 Prozent der Flächen im Karree Anna-Zielenziger-Straße / Alter Markt / Anna-Flügge-Straße / Erika-Wolf-Straße wurden bebaut – mit einer Investitionssumme von mehr als 100 Millionen Euro.

Entstanden sind 79 Wohnungen, dazu Einzelhandelsflächen, gastronomische Einrichtungen sowie Räume für Bildung und Kultur. Von den 79 neu errichteten Wohnungen sind 13 Wohnungen belegungsgebunden (= 16,5 Prozent, 62 Wohnungen mietpreisgebunden, d.h. die Nutzungsentgelte liegen 10 Prozent unter dem Wert des jeweils gültigen Mietspiegels (= 78,5 Prozent). Macht zusammen 95 Prozent. Vier Wohnungen (= 5 Prozent) werden zu 25 Euro angeboten. Über das Gesamtangebot liegt der durchschnittliche Quadratmeterpreis bei bis zu 10,89 Euro.

Herausforderungen und Ausblick

Derzeit gefährden unkalkulierbar steigende Baukosten die Realisierbarkeit neuer Wohnprojekte. Umso dringlicher sei es – so Hagenau – dass Förderprogramme neu aufgelegt oder angepasst werden. Nur so kann die soziale Wohnungswirtschaft weiterhin bezahlbaren Wohnraum schaffen – auch in zentralen Lagen.

Zwischen Protest und Erneuerung – Stadtentwicklung im Wandel der Zeit

Im Rahmen unseres Jahresthemas „Die Stadtentwicklung im Herzen Potsdams“ stellte Saskia Hüneke in ihrem Vortrag am 16. Mai 2025 im Roten Salon des Wiener Cafés die Zielsetzungen der Stadtentwicklung als Teil der Friedlichen Revolution vor. Sie beleuchtete dabei die spannendsten Diskurse und Aushandlungsprozesse seit 1990. Die Gruppe ARGUS galt als eine wichtige Stimme in diesem Diskurs sowie das Stadt-Forum als Plattform für Beteiligung und Dialog.

Erhalt der Barocken Stadterweiterung

Im April 1988 gründete sich in Potsdam ARGUS – die Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung. Unter dem Dach des Kulturbundes der DDR organisiert, kämpften die Mitglieder gegen Umweltverschmutzung, beschäftigten sich mit dem Verfall im Gebiet der Zweiten Barocken Stadterweiterung und organisierten die ersten DDR-weiten Treffen von Umweltgruppen. Mit einem »Argusauge«, so der Name des zensierten Vereinsblatts, dokumentierten sie den massiven Verfall und Abriss der historischen Potsdamer Innenstadt. Der mutige Protest wurde unterstützt durch die parallel entstandene Potsdamer Gruppe des grün-ökologischen Netzwerkes Arche, deren Ausstellung »Suchet der Stadt bestes« im August 1989 in der Nikolaikirche gezeigt wurde. Gemeinsamer Erfolg: Am 1. November 1989 beschlossen die Potsdamer Stadtverordneten den sofortigen Abriss-Stopp, ein Runder Tisch des Bauens entstand. In der Folge wurden sehr schnell die Weichen zu einer „Behutsamen Stadterneuerung“ gestellt.

Potsdamer Kulturlandschaft

Als einzigartig beschreibt Hüneke den Potsdamer Stadtraum, der von den weit in die Stadtmitte führenden Parkanlagen und Grünräumen gekennzeichnet ist. So wurde bereits 1990 den „Schlössern und Parks von Potsdam und Berlin“ der UNESCO-Welterbetitel verliehen. Eine Verpflichtung, behutsam mit der umgebenden Stadtbebauung umzugehen und Landschaftsbilder zu erhalten. Als Negativbeispiele schilderte sie die vergeblichen Diskussionen um die Bebauung des Glienicker Horns, das seit der Fertigstellung die Landschaftsbilder zwischen Park Babelsberg und Havellandschaft beeinträchtigt.
Nur teilweise erfolgreich waren die Auseinandersetzungen um das Potsdam-Center am Hauptbahnhof, das zuerst als Stadtteil auf sieben Meter Höhe über den Bahngleisen gedacht, auch heute noch die Stadtlandschaft am Fluss dominiert. Nach zahlreichen Protesten wurde zunächst nur ein Drittel des Bauvorhabens unverändert realisiert, bleibt etwas Freiraum am Nordausgang erhalten.

Potsdams Mitte

Erste sichtbare Zeichen für die Innenstadtentwicklung waren der Abriss des Betonkerns des geplanten Hans-Otto-Theaters und der Bau des Fortunaportals durch eine Spende von Günther Jauch. Seitdem schreitet der öffentliche, teils konfliktreiche Diskurs um die „Wiedergewinnung der historischen Mitte“ weiter voran, konkretisieren Stadtverordnetenbeschlüsse wie der zum Landtag in der äußeren Gestalt des Stadtschlosses, begegnen sich darüberhinaus historisierende und moderne Neubauten in der alten Stadtstruktur.

Foto: Dortustraße im August 1989 © Norbert Blumer


(mehr …)

Stadtgeschichte zwischen Trümmern und sozialistischem Wiederaufbau

Der Mai-Stammtisch unseres Vereins bot einen besonderen Höhepunkt: Stadtführer Robert Leichsenring nahm uns mit auf eine eindrucksvolle Zeitreise durch die Stadtentwicklung Potsdams zwischen 1945 und 1989. Mit historischen Bildern und spannenden Hintergrundinformationen ließ er die dramatischen Veränderungen dieser Jahrzehnte lebendig werden.

Im Fokus seines Vortrags stand zunächst die Zerstörung Potsdams zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Nach schweren Bombardierungen und Straßenkämpfen im Jahr 1945 lagen zahlreiche historische Bauten in Trümmern: das Stadtschloss, die Nikolaikirche, das Rathaus, der Palast Barberini und viele Bürgerhäuser wurden schwer beschädigt oder zerstört. Die Überreste – Fassadenfragmente wie steinerne Skelette – prägten das Stadtbild der Nachkriegszeit.

In den ersten Jahren nach Kriegsende bestimmten Enttrümmerung und Wiederaufbau das Bild. Dabei nutzte man das aus den Ruinen gewonnene Steinmaterial als Baustoff, versuchte historische Elemente zu retten und kunstvollen Fassadenschmuck aus den Trümmern zu bergen.

Barock und Sozialismus: DDR-Architektur neu betrachtet

Leichsenring machte deutlich, dass die Architektur der DDR nicht ausschließlich durch Plattenbauten geprägt war. Bereits in den 1950er Jahren begann man, einzelne Gebäude im Stil der historischen Wohnhäuser zu rekonstruieren. Ein Beispiel dafür ist die Wilhelm-Staab-Straße – die erste Barockstraße der DDR. Ein weiteres interessantes Detail zeigte sich in der Yorckstraße 13: Über der Haustür prangt statt eines klassischen Putto ein Mädchen mit Pionierhalstuch – ein symbolischer Ausdruck der neuen Zeit.

Ein besonders anschauliches Beispiel für den Umgang mit historischen Überresten stellte das sogenannte „Ochsenkopfhaus“ dar. Das Direktionsgebäude der Gewehrmanufaktur von 1755/56 stand einst in der Dortustraße Ecke Breite Straße. Obwohl das Haus zerstört wurde, blieb einer der markanten Sandstein-Widderköpfe erhalten und ziert bis heute die Fassade des später errichteten Mietshauses.

Weitere Beispiele aus der Charlottenstraße, Dortustraße, Friedrich-Ebert-Straße und dem Platz der Einheit zeigten den Zuhörern, wie sehr die Stadtentwicklung dieser Zeit von Brüchen, aber auch von kreativen Lösungen geprägt war. Nach der Ära des sozialistischen Klassizismus wich die barocke Bautradition mehr und mehr dem industriellen Wohnungsbau. Anfangs plante man großzügige Grünflächen und offene Bebauung – etwa im Burgstraßenviertel –, doch später wurden Neubauviertel deutlich verdichtet. Das Wohnungsbauprogramm von 1973 zielte auf eine umfassende Lösung der Wohnungsnot bis 1990.

Verhinderte Planungen – gerettete Bauten

Leichsenring präsentierte zudem Stadtplanungen, die glücklicherweise nie umgesetzt wurden – unter anderem für das Holländische Viertel, die Hegelallee oder den Bassinplatz. Glück hatte auch der Marstall: Ursprünglich für den Abriss vorgesehen, konnte er durch die Initiative zur Einrichtung eines Filmmuseums gerettet werden. So wurde der Bau zwischen 1977 und 1980 behutsam rekonstruiert – ein Beispiel für die erfolgreiche Bewahrung historischer Substanz in der DDR-Zeit. Das Stadtschloss dagegen, das einst durch die Ringerkolonnade mit dem Marstall verbunden war, fiel bereits 1960 dem Abrissbagger zum Opfer.

Der Vortrag von Robert Leichsenring war ein faszinierender Streifzug durch ein spannendes Kapitel Potsdamer Stadtgeschichte – voller Verluste, aber auch überraschender Erhaltungen und Wiederentdeckungen. Er öffnete den Blick für die oft übersehenen Spuren der Nachkriegs- und DDR-Zeit, die unser Stadtbild bis heute prägen.

Führung durch die Ausstellung LUFT | BILD | Potsdam

Am 9. April 2025 begaben sich Vereinsmitglieder unter der Führung von Robert Leichsenring auf eine besondere Entdeckungsreise – allerdings nicht mit einem Flugzeug, sondern durch die faszinierende Welt der Luftbildfotografie. In der aktuellen Ausstellung LUFT | BILD | des Potsdam Museums werden spektakuläre Luftaufnahmen aus dem frühen 20. Jahrhundert gezeigt, die die Stadt Potsdam aus einer neuen Perspektive zeigen und ihre Geschichte eindrucksvoll dokumentieren.

Vor über 100 Jahren ermöglichten vor allem die ersten Zeppelin-Rundflüge einen völlig neuen Blickwinkel auf die Stadt. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Reihe von Fotografien, die die Zerstörung Potsdams während des Zweiten Weltkriegs dokumentiert. Zwei Luftbilder hängen nebeneinander, das eine aufgenommen direkt vor der Bombardierung am 14. April 1945, das andere direkt danach mit den verheerenden Auswirkungen auf die Stadt. Zudem sind Bilder zu sehen, die die Zerstörungen durch die Kampfhandlungen zwischen der Wehrmacht und der Roten Armee während der letzten Kriegstage veranschaulichen. Die Stadt erlebte mehrere Wellen der Zerstörung: Die erste durch das Bombardement, die zweite durch die Kämpfe und die dritte durch den Abriss der Ruinen in der Nachkriegszeit sowie die Umgestaltung zu einer sozialistischen Landeshauptstadt, die vierte durch die Veränderungen in den Jahren nach der Friedlichen Revolution. So wurden in den 1990er Jahren weiterhin historische Gebäude abgerissen, um Platz für neue Projekte zu schaffen, oder um dem Zeitgeschmack zu entsprechen. Ein markantes Beispiel hierfür ist der Abriss der klassizistischen Gebäude am Hauptbahnhof zugunsten des Busbahnhofs oder das Entfernen des schwebenden Daches auf dem Bassinplatz.

Ein weiterer spannender Bestandteil der Ausstellung sind die Fotografien von Lutz Hannemann, einem Potsdamer Luftbildfotografen, der in den vergangenen 30 Jahren die Entwicklung der Stadt dokumentiert hat. Mit seinen hochwertigen Farbaufnahmen zeigt Hannemann den Wandel Potsdams aus ungewöhnlichen Perspektiven.

Robert Leichsenring, Stadtführer und freier Mitarbeiter des Potsdam-Museums, erläuterte während seiner Führung, dass die Luftaufnahmen nicht nur die Stadtgeschichte erzählen, sondern auch auf Geheimnisse hinweisen. Besonders auffällig sind die „schwarzen Flecken“ in einigen Bildern, die auf militärische Orte verweisen, die in Potsdam geheim bleiben sollten – ein faszinierender Aspekt der Ausstellung, der die Besucher zum Nachdenken anregt.

Insgesamt bietet die Ausstellung einen tiefen Einblick in die Geschichte und den Wandel der Stadt zeigt eindrucksvoll, wie sich Potsdam im Laufe der Jahrzehnte verändert hat.

Olaf Tiede vor Beginn seines Vortrags.

Die Potsdamer Kirchenachsen

Olaf Tiede erforscht seit vielen Jahren die Kirchenachsen in Potsdam und darüber hinaus. In seinem umfangreichen Vortrag beim Vereinstreff im April 2025 berichtete er darüber. Anhand zahlreicher Fotos und vergleichender Satellitenaufnahmen wies er nach, dass Kirchen nicht zufällig irgendwo gebaut wurden, sondern immer mit einem Bezug, einem sichtbaren oder geistigen Bezug.

Bekannt ist die Potsdamer Kirchenachsenlinie von Garnisonkirche – Nikolaikirche – Heiligengeistkirche. Eine solche offensichtliche Konstellation hat nicht nur stadtgestalterische Gründe, sondern steht auch für eine spirituell-symbolische Beziehung. Für dieses Denken finden sich die Wurzeln bereits im frühen Mittelalter, als im Zuge der Christianisierung des Havellandes die kleinen Dorfkirchen in Abhängigkeit von den großen Mutterkirchen und Klöstern entstanden. Auf der Insel Potsdam sind viele Beispiele für diese kirchenstrategischen und liturgischen Überlegungen zu finden.

Sakrale Landschaft & Gesamtkunstwerk

In der Zeit des späteren Absolutismus, als die königliche Macht vor allem sichtbar zelebriert werden sollte, wurden zunehmend „Beziehungsachsen“ relevant. Auch erfolgte eine Ausrichtung nach dem Sonnenstand zu bestimmten Kalenderdaten. Zur Kaiserzeit um 1900 wurde das Sichtachsen-System noch weiter ausgebaut. Durch die dichter werdende Bebauung drängten sich neue Türme in die Achsen.

Die umfangreichen Erkenntnisse erstaunten uns, denn die viele Verbindungslinien sind komplett unsichtbar – wie die Ausrichtung der beiden katholischen Kirchen nach Rom. Frage aus der Runde: Wie kommt man auf die Idee, so etwas zu erforschen? Seine Antwort darauf: „Ich schaue mit den Augen eines Grafikers.“ Das Ergebnis ist erstaunlich. Es scheint in der früheren Bauplanung alles mit allem zusammenzuhängen. Nichts wurde dem Zufall überlassen. So entstand ein Netz von zusammenhängenden Bauten, so gibt es zum Beispiel auch einen direkten Bezug von der Französischen Kirche auf dem Bassinplatz zum Pantheon in Rom.

Thiede will zum Jahresende 2025 ein weiteres Buch zu seinem Thema veröffentlichen.

Aktuell stellt er in der Schlossgalerie Haape in Caputh Werke seiner Malerei aus. Die Ausstellung ist samstags und sonntags von 12 bis 18 Uhr in der Krugstraße 38 geöffnet.

Besichtigung des Synagogenzentrums Potsdam

Nach über 16 Jahren intensiver Planungs- und Bauphase wurde das Synagogen- und Gemeindezentrum in der Schloßstraße 8 im Juli 2024 eröffnet. Das Gebäude ist Bestandteil der östlichen Neubebauung zwischen Friedrich-Ebert-Straße und der Straße Am Neuen Markt. Erwartungsfroh besuchten 30 Vereinsmitglieder am 19. März 2025 den Neubau. Evgeni Kutikow, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde der Stadt Potsdam e.V. und Jan-Niklas Hörrmann, Einrichtungsleiter des Synagogenzentrums Potsdam, begrüßten die Teilnehmer im Foyer und starteten den Rundgang auf der Dachterrasse.

Das Synagogenzentrum hat vier Obergeschosse und ist vollständig unterkellert. Das Gebäude ist als Stahlbetonkonstruktion hergestellt.  Als Fassadenmaterial wurde sandfarbener Ziegel mit einer entsprechenden Fugenfarbe gewählt. Damit wird einerseits an die lokale brandenburgische Ziegelbauweise angeknüpft und andererseits die weltweite konfessionsübergreifende Bautradition des Sakralbaus mit Ziegeln aufgegriffen.

Die Eingangssituation wird einladend durch einen zweigeschossigen Bogen gebildet. Dahinter befindet sich die notwendige Sicherheitsschleuse. Ein Foyer schließt sich unmittelbar an. Räumlich verbunden mit dem Foyer ist der multifunktional konzipierte Veranstaltungssaal. Die Veranstaltungsfläche dient einerseits als Besuchercafé, andererseits als Vortragsraum. In räumlich enger Verbindung mit dem Besuchercafé steht die Küche. Sie ist gemäß jüdischer Speisegesetze in getrennte Bereiche für fleischige und milchige Speisen unterteilt. Im Untergeschoss befindet sich die Mikwe mit einem Tauchbad. Die Mikwe wird aus rituellen Gründen mit Regenwasser gespeist, das von der Dachterrasse abgleitet, gefiltert und gechlort wird. Außerdem befinden sich im Untergeschoss der Jugendraum, der Umkleidebereich für die Küche, Räume für die Haustechnik sowie ein Lagerraum. Weiterhin ist hier die zentrale Toilettenanlage und Garderobe der Synagoge.

Der Synagogenraum

Im ersten Obergeschoss befindet sich der Synagogenraum, der als Zentralraum angelegt ist. Der dreigeschossige Raum wird über ein Glasdach mit Zenitlicht versorgt und erhält durch das Eichenholz eine warme Atmosphäre. Weitere dekorative Elemente sind die leicht geschwungene Wandoberflächen und die wellenförmig abgehängten Deckensegel aus messingfarbenen Metallgewebe. Zusätzlich bilden sieben Bogenfenster den optischen Rahmen für das religiöse Zentrum des Baus. Um die Bima, das Vorlesepult für die Torarollen, gruppieren sich die festinstallierten Sitzbänke. An der Stirnseite des Raumes befindet sich vor einer ornamental gestalteten Wand der Toraschrein. Integriert in den Synagogenraum ist die Frauenempore, die über das zweite Obergeschoss erschlossen ist. Die Synagoge kann von maximal 199 Personen gleichzeitig genutzt werden (149 Personen im 1. OG und 50 Personen auf der Frauenempore).

Im zweiten und dritten Obergeschoss liegen neben der Frauenempore ein Aktivitätsraum mit integrierter Teeküche, die Bibliothek, der Musikraum, der Kunstraum sowie Büros. Im vierten Obergeschoss ist das Verwaltungszentrum angeordnet. Hier befinden sich weitere Büroräume und ein Besprechungsraum. Auf der Dachterrasse können religiöse Veranstaltungen stattfinden.

Grundlage für den Bau ist der Entwurf des Berliner Architekten Jost Haberland. Für die ersten drei Jahre nach Fertigstellung des Gebäudes hat die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) als Treuhänderin die Trägerschaft des Zentrums übernommen. Danach soll der Landesverband der jüdischen Gemeinden Land Brandenburg als Träger des Synagogenzentrums fungieren.

Besichtigungen

Wir bedanken uns für den regen Austausch und die Beantwortung unserer zahlreichen Fragen.
Am 30. März findet im Synagogenzentrum von 10 bis 14 Uhr ein Tag der offenen Tür statt, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Individuelle Besichtigungen können dienstags und donnerstags um 15:30 Uhr hier vereinbart werden. Zu den Gottesdiensten sind Gäste willkommen, dafür ist eine vorherige Anmeldung notwendig.

Vereinstreff mit der Kunsthistorikerin Dorothee Entrup

Beim Vereinstreff am 6. November konnten wir Dr. Dorothee Entrup in unserer Mitte begrüßen. Die Kunsthistorikerin leitet seit 2019 den Bereich Bildung und Vermittlung im Museum Barberini Potsdam. Im Zentrum ihrer Arbeit stehen die Gestaltung und der Ausbau des analogen und digitalen Vermittlungsangebots im Museum und auf der Barberini-App. Weitere Schwerpunkte sind die Akquise neuer Zielgruppen, die Gestaltung niedrigschwelliger Zugänge und die innovative Weiterentwicklung der Vermittlungsarbeit mit KI. Außerdem ist Entrup persönliche Referentin der Direktorin des Museums, Dr. Ortrud Westheider.

Weichenstellung

Zu Beginn ihrer Präsentation schilderte Entrup noch einmal die Diskussionen um eine neue Kunsthalle für die Stadt. Hasso Plattner hatte sich bereiterklärt, das Hotel Mercure abzureißen und es durch einen Bau für DDR-Kunst zu ersetzen. Dagegen gab es erheblichen Widerstand. Zum Glück kam etwas später in der Planungsphase des Palais Barbarini das Aus für ein dort geplantes Fünf-Sterne-Hotel. Dies machte den Weg frei für ein Kunstmuseum, das von der Hasso Plattner Foundation errichtet wurde.
Bis zur Bombardierung des historischen Zentrums Potsdams im April 1945 befand sich auf der Südseite des Alten Marktes der nach römischen Vorbildern gestaltete Palast Barberini (auch „Palais Barberini“ oder „Barberinipalast”). Hier waren Musik-, Kunst- und Wissenschaftsvereine untergebracht. Die Ruine wurde 1948 abgerissen.

Nach dem Beschluss der Stadtverordneten zum Wiederaufbau der historischen Mitte Potsdams sollte das Palais Barberini so originalgetreu wie möglich wiederhergestellt werden. So entstand von 2013 bis 2016 mit den Mitteln der Hasso Plattner Foundation, der Stiftung des SAP-Gründers und Kunstmäzens Hasso Plattner, ein Museum, das in jeder Beziehung höchsten Ansprüchen genügt.
Seit der Eröffnung 2017 hat sich das Haus mit internationalen Ausstellungen und der bedeutenden Sammlung impressionistischer Malerei des Stifters als eines der meistbesuchten Kunstmuseen Deutschlands etabliert. Bis zu 350.000 Besucher kommen jährlich in das Haus.

 

Hinter den Kulissen

Mit ihrem Team sorgt Dorothee Entrup für die Konzeption und Durchführung zahlreicher Veranstaltungsformate, wie Führungen, Workshops, Fachtagungen u.v.m.  Im Mittelpunkt stehen dabei Angebote für Kinder, Schüler, Jugendliche und Personen mit Handicaps. Entrup berichtete den Vereinsmitgliedern, welche neuen Formate und Ausstellungen geplant sind. So startet im Februar eine Ausstellung mit Werken von Wassily Kandinsky.

Zudem erweitern neue Räume die Gestaltungsmöglichkeiten. So nutzt das Museum künftig die ehemalige Galerie nebenan. Auch die Verwaltung des Museums ist gerade umgezogen. Die Büros befinden sich im rekonstruierten Klingerschen Haus auf der gegenüberliegenden Seite des Alten Marktes – natürlich mit Blick auf das Barberini.

Die Kunsthistorikerin ist auch Autorin von bisher drei Stadtspaziergängen, die auf der Barberini-App die Museumsbesucher parallel zu entsprechenden Ausstellungen einladen, auf Rundgängen die italienischen, französischen und holländischen Einflüsse in Potsdam zu entdecken.

Entrup ging auch auf das zweite Projekt der Hasso Plattner Foundation ein, dem Kunsthaus Minsk, einem ehemaligen Terrassencafé am Brauhausberg, das sich vor allem der DDR-Kunst widmet. Dort gibt es zum Jahresende einen Wechsel in der Führung, von dem neue Impulse erwartet werden.

Foto oben: Museum Barberini © Henry Balaszeskul

Führung durch die Hagemeister-Ausstellung im Potsdam Museum

Markus Wicke, der Vorsitzende des Fördervereins des Potsdam Museums, führte am 22. Oktober 2024 Mitglieder unseres Vereins durch die Karl-Hagemeister-Ausstellung „Die Natur ist groß“. Der havelländische Impressionist ist uns gut bekannt. Schließlich konnte mit Hilfe unserer Spende das Ölgemälde „Uferlandschaft“ restauriert und 2020 in der Ausstellung präsentiert werden.

Wicke berichtete in kleinen Anekdoten, welche Gemälde dank der großzügigen Spenden von Sponsoren und Fördermitgliedern in der Zwischenzeit erworben bzw. restauriert werden konnten. Das Potsdam Museum besitzt mittlerweile den zweitgrößten Fundus an Hagemeister-Werken. Mehr hat nur das Berliner Bröhan-Museum. Der Stolz auf diesen Schatz ist der liebevollen Aufbereitung der Schau anzusehen, die thematisch nach den vier Jahreszeiten mit Ölgemälden, Pastellen und Zeichnungen, gepaart mit Zitaten von Weggefährten, zusammengestellt ist.

Karl Hagemeister gilt als einer der bedeutendsten deutschen Wegbereiter der modernen Landschaftsmalerei. 1848 in Werder geboren, war er Gründungsmitglied der Berliner Sezession und prägte gemeinsam mit seinen Künstlerkollegen Max Liebermann, Lovis Corinth und Max Slevogt den Impressionismus besonders in Berlin und Brandenburg.

Aufgrund der großen Nachfrage wurde die Ausstellung bis zum 19. Januar 2025 verlängert. Auch im Kulturstadtverein war das Interesse an der Führung enorm, sodass ein zweiter Termin mit Markus Wicke im November angeboten werden wird.

Zu Beginn des Ausstellungsbesuchs durften wir ausnahmsweise den Turm besteigen, der wegen des fehlenden Fluchtweges nicht öffentlich zugänglich ist. In der Abendsonne bot sich ein bezaubernder Blick  – nahzu auf Augenhöhe mit dem goldenen Atlas – auf den neuen Alten Markt. Hier oben erklärten uns Museumsmitarbeiterin Anke Stemann und Markus Wicke die wechselvolle Geschichte des unter Denkmalschutz stehenden Alten Rathauses, das heute noch von den Alt-Potsdamern „Marchwitza“ genannt wird. Lesen Sie dazu die ganze Geschichte im Potsdam-Wiki-Beitrag über das Gebäude.  

Foto oben: Markus Wicke vor „Winterlandschaft mit Weiden“, Öl auf Leinwand 1904 © Karin Hennig.

Vereinsstammtisch mit dem Maler und Grafiker Christian Heinze

Am Vorabend zum Tag der Deutschen Einheit, dem 2. Oktober 2024, kamen rund 20 Mitglieder, darunter zwei Neumitglieder und ein aus Frankfurt am Main zugezogener Neu-Potsdamer zum Vereinstreff im Restaurant Knossos. Zu Gast war dieses Mal der Maler und Grafiker Christian Heinze, von dem einige Mitglieder bereits Werke besitzen, aber ihn persönlich jetzt erst kennenlernen konnten. Der 1941 in Dresden Geborene nahm uns mit durch seine Lebensstationen in drei Systemen.

Eigentlich wäre Christian Heinze nach dem Studium der Malerei an der Hochschule für Bildende Kunst Dresden am liebsten an die Ostsee gezogen, doch dann verschlug es ihn nach Potsdam. Seit fast 60 Jahren arbeitet er als Freischaffender Künstler auf verschiedenen Gebieten, vernetzte sich mit Kollegen und fand dank seiner umgänglichen Art Unterstützer, Sammler und Auftraggeber.

1968 zog er in die Villa Rumpf am Heiligen See. Die Maler Peter Wilde, Manfred Nitsche und Alfred Schmidt sowie der Regisseur Kurt Tetzlaff wohnten ebenfalls dort. Sie bildeten eine Art „Künstler-Kolonie“. Die wilden Feiern mit den Defa-Leuten waren in der Szene legendär. Durch diese Kontakte bekam Heinze die Chance, für die Defa als Filmarchitekt zu arbeiten. Für den Gojko-Mitic-Film „Tecumseh“ reiste er mit dem Filmteam nach Tadschikistan und baute dort aufwändig Kakteen. Nebenbei lernte er Land und Leute kennen. Das Erlebte bannte er auf Bilder, so entstand etwa sein Gemälde „Hochzeit in Tadschikistan“ 1978.
Als Bildender Künstler bereiste er weitere Länder wie zum Beispiel Usbekistan, den Libanon, die Sowjetunion und Simbabwe.

Heinzes Werke sind auch im öffentlichen Raum zu besichtigen, so zum Beispiel mehrere Spielskulpturen aus Keramik im Wohngebiet Am Schlaaz, die mit den Jahren Abriebspuren an viel benutzten Stellen aufweisen. Weitere Keramikskulpturen stehen auf seinem Grundstück in der Böcklinstraße 14.

Die politische Wende 1989 brachte dem Künstler neue Kontakte und Verbindung bis ins Saarland, wo man ihm Aufträge gab. Er stellte weiterhin in Galerien aus und traf mit seinen Themen den Nerv der Zeit. Die schon seit 1972 erscheinenden Grafik-Kalender publiziert Heinze bis heute in einer limitierten Auflage von je 100 Stück. Einige Exemplare des 2025er-Potsdam-Kalenders sind noch erhältlich. Interessenten können sich gern direkt im Atelier melden. Der Ostseekalender ist leider ausverkauft.

Aktuell stellt Christian Heinze mit seinem Künstlerfreund Jürgen Jaehnert bis zum 27.10.2024 in der Galerie Martina Fregin in Güstrow aus. Geplant ist noch in diesem Jahr eine Ausstellung in der Galerie „Gute Stube“ des Potsdamer Kunstvereins e.V. in der Charlottenstraße 121.

Vereinsstammtisch mit „Freunden der Preußischen Schlösser und Gärten“

Mit über 1300 Mitgliedern sind die „Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten“ ein Schwergewicht in der Vereinslandschaft. Die Mitglieder sind in Berlin und Brandenburg aktiv und unterstützen die Schlösserstiftung bei ihren Aufgaben. Vorstandsvorsitzende Barbara Schneider-Kempf und Geschäftsführerin Justine Remus stellten den Verein beim Kulturstadt-Stammtisch am 4. September 2024 im Knossos-Palast vor.

So erfuhren wir, dass die „Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten“ in jedem Jahr große Geldsummen bewegen. Sie finanzieren damit Dinge, die nicht im Investitionsplan der Schlösserstiftung vorgesehen sind.  Zum Beispiel haben sie 316.000 Euro gesammelt, um Teile der Innenausstattung der Römischen Bäder zu restaurieren. Zu den Objekten gehören wertvolle Mosaiken, Gemälde und Plastiken. Das Geld stammt von Einzelspendern, Stiftungen und aus Erbschaften.

Mit seinen vielen Mitgliedern kann der Verein eine Menge erreichen, und deshalb wirbt er weiter um Zulauf. Barbara Schneider-Kempf berichtete uns von den „fritzen“. Die Initiative führt Frauen und Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren in die Welt der Schlösser und Gärten ein. Dazu werden den „fritzen“ besondere Angebote gemacht, zum Beispiel Führungen. Die „fritzen“-Mitgliedschaft gibt es für einen ermäßigten Jahresbeitrag von 35 Euro, für die älteren sind es 125 Euro.

Die Kulturstadt-Mitglieder sind dem „fritzen“-Alter zwar allesamt entwachsen, aber man kann die Mitgliedschaft für ein Jahr auch an Kinder oder Enkel verschenken. Ein tolles Geschenk, denn „Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten“ jeden Alters haben freien Eintritt in allen Schlössern.