In Berlin gibt es drei UNESCO-Welterbestätten: die Schlösser und Gärten mit Potsdam zusammen, die Museumsinsel und die Siedlungen der Moderne. Diese Siedlungen waren bislang weniger bekannt und wurden von unserem Mitglied Sabine Ambrosius, Referentin für das UNESCO-Welterbe im Landesdenkmalamt Berlin, in einem Vortrag beim monatlichen Vereinstreff, am 6. Juni 2022, vorgestellt.
Die Architekten der klassischen Moderne gaben auf höchstem architektonischen Niveau Antwort auf die Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg. Sie errichteten moderne, bezahlbare Wohnungen mit Küchen, Bädern und Balkonen, in Häusern ohne Hinterhof und Seitenflügel, dafür mit Licht, Luft und Sonne.
Die Berliner Bevölkerung litt unter den Folgen der Inflation. Das Geld verlor dramatisch schnell an Kaufkraft. Diese Entwertung des Bargeldes traf die Armen besonders hart, da sie – anders als die Wohlhabenden – keine halbwegs wertstabilen Anlagen besaßen und die Mieten rasant stiegen. Die Politik musste handeln und beschloss Maßnahmen zur Förderung des öffentlichen Wohnungsbaus.
Auf Konzepten des späteren Stadtbaurats Martin Wagner aufbauend, wurde 1924 die sogenannte Hauszinssteuer eingeführt. Mit dieser Steuerabgabe auf Erträge aus Wohnungsbau und -vermietung, wurden die von der Geldentwertung kaum betroffenen großen Immobilienbesitzer und privaten Vermieter an der Finanzierung des öffentlichen Wohnungsbaus beteiligt. Das Prinzip war einfach: Bei Neuvermietung von zusätzlich im Hinterhof erbauten Mietskasernen oder auch Mieterhöhungen in bestehenden Wohnungen griff die Politik einen Teil der Einnahmen ab und investierte sie teilweise in den öffentlichen Wohnungsbau.
Aus der Not heraus entstand so eine qualitätsvolle Baukunst zwischen 1913 und 1934. Die Formensprache, die Wohnungsgrundrisse und die städtebaulichen Figuren der Siedlungen wurden zum Vorbild für das ganze 20. Jahrhundert.
Ästhetische Vorstellungen der Avantgarde aus Kunst und Architektur verbanden sich dabei mit den sozialen Ideen der politischen Linken. Gewerkschaftliche, genossenschaftliche und städtische Baugesellschaften wurden zu den Trägern dieser gebauten Utopie.
Das Welterbe-Komitee hat bei seiner 32. Sitzung in Quebec / Kanada am 07.07.2008 beschlossen, die sechs Siedlungen der Berliner Moderne in die Welterbe-Liste der UNESCO aufzunehmen. Der Antrag entspricht der UNESCO-Strategie, Stätten der Moderne verstärkt als Welterbe zu schützen. Die Siedlungen zeichnen sich international nicht nur durch ihre große Bedeutung, sondern auch durch ihren guten Erhaltungszustand aus.
© Fotos oben: Ben Buschfeld
Weiterführende Informationen:
> Webseite Welterbe Siedlungen Berlin
> Youube „Die Siedlungen der Berliner Moderne – UNESCO-Welterbe mit neuer Strahlkraft„
> YouTube „Ein gebautes Versprechen – Sozialer Wohnungsbau der Berliner Moderne„
> Tautes Heim – Mietbares Museum zu Architektur + Design der 1920er Jahre
Authentisch Wohnen in einem Haus von Bruno Taut im UNESCO-Welterbe Hufeisensiedlung > Webseite